Tauben
Der Strauß fliegt nie; die Hühner können wohl fliegen, aber nur schwerfällig, selten und nicht hoch; der Adler aber, die Tauben und Schwalben fliegen oft, mit Leichtigkeit und erheben sich hoch in die Lüfte. So schwingt sich auch der Sünder nie zu Göttlichem auf; er lebt nur auf der Erde und für die Erde. Gute Menschen erheben sich, ehe sie die Frömmigkeit erreicht haben, wohl zu Gott durch gute Handlungen, aber selten, langsam und schwerfällig. Fromme Menschen dagegen schwingen sich zu stolzen Höhen empor, sie tun es gern, häufig und schnell. Mit einem Wort: Frömmigkeit ist nichts anderes als Gewandtheit und Lebendigkeit im geistlichen Leben. Sie lässt die Liebe in uns oder uns in der Liebe tätig werden mit rascher Bereitschaft und Freude. Die Liebe bewirkt, dass wir alle Gebote Gottes beobachten; die Frömmigkeit; dass wir sie hurtig und bis ins kleinste erfüllen. Wer also nicht alle Gebote Gottes erfüllt, kann weder als gut noch als fromm bezeichnet werden; denn um gut zu sein, muss man die Gottesliebe besitzen; um fromm zu sein, außer der Gottesliebe noch eine große Behändigkeit und rasche Bereitschaft zu ihren Werken. (DASal 1, Seite 34)
Kommentiert: Die Frömmigkeit belebt alles.
Thema: Ruhelosigkeit, Geborgenheit in Gott
Ach, unser Herz läuft den Geschöpfen mit fiebernder Hast nach; es meint, an ihnen seine heißen Wünsche befriedigen zu können. Hat es aber erreicht, wonach es strebte, dann sieht es, dass es wieder von vorn anfangen muss und durch nichts befriedigt werden kann. Gott will, dass unser Herz keinen Ort finde, an dem es ausruhen könnte, wie die Taube, die aus der Arche Noahs ausgeflogen war, eben damit es zu Gott zurückkehre, von dem es ausgegangen ist. Welche Schönheit ziert unser Herz von Natur aus! (DASal 1, Seite 254)
Kommentiert: Ruhelos ist unser Herz, bis es Ruhe findet in Dir.
Endlich werden sie (Anm.: Die Schwestern) sich bemühen, ein gefügiges, lenkbares Herz zu haben, das sich gerne in allem Erlaubten unterordnet und anpasst, das bei jeder Gelegenheit Gehorsam und Liebe bekundet und so der Taube gleicht, deren Gefieder alle Sonnenstrahlen auffängt und wiederspiegelt. Selig die biegsamen Herzen, denn sie werden nie brechen! (DASal 2, Seite 38)
Kommentiert: Gott schenke mir ein hörendes Herz.
Die Taube will nichts weiter, als in aller Einfalt die ihr zukommende Pflicht erfüllen; alles andere überlässt sie ihrem Gefährten. Eine Seele, die Gott liebt, wendet mit der Einfalt der Taube und ohne Hast die Mittel an, die ihr zur Erlangung der Vollkommenheit vorgeschrieben sind. Sie schaut nicht nach anderen aus, und wären sie auch noch so wertvoll. Sie weiß: Mein Geliebter denkt für mich, darauf verlasse ich mich; er sorgt für mich, also vertraue ich auf ihn; er liebt mich, ich lieb ihn und darum bin ich ganz sein. (DASal 2, Seite 97-108)
Kommentiert: In Einfachheit und ohne Hast Gott suchen.
"Seid klug wie die Schlangen" - sagt der Herr zu seinen Aposteln, - seid aber auch "einfältig wie die Tauben" (Mt 10,6). Damit wollte er sagen: Lernet von den Tauben Gott in aller Einfachheit lieben, d. h. das Wachsen in der Gottesliebe in aller Einfalt des Herzens fördern und bei allem, was ihr tut, nur ein Motiv, nur ein Ziel haben. Und nicht nur diese Einfalt in der Liebe lernet von der Taube, - denn sie hat nur einen Tauber, für den sie alles tut, sie will nichts, als ihm gefallen, sie fürchtet nichts, als ihm missfallen, - lernet auch von ihr, eure Liebe ganz einfach auszudrücken und zu zeigen, - denn sie tut nicht weiß Gott was alles, ist nicht überschwänglich in ihren Zärtlichkeiten, sie gurrt nur leise dem Tauber zu, fühlt sich in seiner Liebe geborgen und ist zufrieden, bei ihm sein zu dürfen. (DASal 2, Seite 174)
Kommentiert: Geborgen in Gott
Bisweilen sieht man Tauben sich voll Eitelkeit in kunstvollen Spiralen oder in schwebendem Gleitflug gefallen, um ihr buntes Gefieder zur Schau zu tragen. Sperber und Falken, die sie belauern, schießen dann auf sie herab und packen sie mit ihren Krallen, was sie nie zustandebrächten, wenn die Tauben geradeaus fliegen würden, da diese schneller fliegen als Raubvögel. Nein, Theotimus, wenn wir uns nicht mit eitlen, vergänglichen Genüssen vergnügten und uns besonders nicht in unserer Eigenliebe gefielen, sondern, einmal im Besitz der göttlichen Liebe, unseren Flug mit Sorgfalt geradeaus richteten, dorthin, wohin sie uns trägt, nein, niemals würden sich dann Einflüsse und Versuchungen unser bemächtigen. - Leider aber lassen wir uns durch Selbstüberschätzung verführen und täuschen, schauen gleich eitlen Tauben immer wieder auf uns selbst, haften zu sehr an Geschöpfen und fallen so unversehens den Krallen unserer Feinde zum Opfer, werden von ihnen erfasst und verschlungen. (DASal 3, Seite 208)
Kommentiert: Geradlinigkeit und Einfachheit führen schneller zum Ziel.
Thema: Wünsche, Frömmigkeitsstreben, Geduld
Ist es nicht etwa eine Menge von Wünschen, die Ihrem Geist Hemmungen verursacht? Auch ich litt an dieser Krankheit. Der an eine Stange gekettete Vogel spürt nur, wenn er zu fliegen versucht, dass er gefesselt ist und die Fesseln die Stöße verursachen. Ebenso weiß er, bevor er Flügel hat, nichts von seinem Unvermögen zu fliegen. Er wird es erst inne beim ersten Flugversuch. Ich sage Ihnen ein Heilmittel dagegen, meine liebe Tochter: Da Sie noch keine Flügel haben zum Flug und das eigene Unvermögen Ihrem Wollen Schranken setzt, schlagen Sie nicht um sich, haben Sie keine Eile zu fliegen, sondern gedulden Sie sich noch, bis Sie Flügel haben, um gleich den Tauben zu fliegen (Ps 54,7). Ich fürchte sehr, dass Sie etwas zu hitzig auf Ihre Beute losgehen, dass Sie zu ungestüm vorstürmen und Ihre Wünsche etwas zu üppig wuchern lassen. Sie erkennen die Schönheit des Lichtes, das Wohltuende der Entschlüsse; Sie meinen, diese fast in Händen zu haben; die Nähe des Guten weckt in Ihnen ein maßloses Verlangen darnach und dieser Heißhunger wiederum drängt Sie voran und Sie möchten sich hinaufschwingen. Aber umsonst, denn der Meister hält Sie an der Stange gekettet oder besser gesagt: Sie besitzen noch keine Flügel. Dabei aber magern Sie ab infolge der andauernden Erregung des Herzens und erschöpfen ständig Ihre Kräfte. - Man soll schon Versuche machen, aber mit Maß, ohne um sich zu schlagen und sich zu erhitzen. (DASal 5, Seite 72)
Kommentiert: Geduld haben auch im Streben nach Frömmigkeit.
Die Kirche ist wie eine Taube, die zwei Flügel hat: die Heilige Schrift und die Überlieferung. (DASal 9, Seite 176)
Kommentiert: Die beiden Quellen der Kirche
Thema: Wort Gottes, Auslegung, Wahrheit
Ich habe keinen Zweifel, dass man den Glauben dem heiligen Wort angleichen muss; wer wüsste nicht, dass es den höchsten Grad an Sicherheit besitzt? Was mir Schwierigkeiten macht, ist das Verständnis dieser Heiligen Schrift, das sind die Folgerungen und Schlüsse, die man damit verbindet. Sie sind verschieden, zahllos und sehr oft gegensätzlich in der gleichen Frage, wo jeder Partei ergreift, der eine so, der andere anders. Wer zeigt mir die Wahrheit inmitten so vieler Eitelkeiten? Wer zeigt mir die Heilige Schrift in ihrer natürlichen Farbe? Denn der Hals dieser Taube wechselt so oft das Aussehen, als seine Betrachter die Stellung und Entfernung ändern. (DASal 10, Seite 159)
Kommentiert: Was ist Wahrheit?