PREDIGT zum Fest Taufe des Herrn - LJ A
"Gott sagt Ja zu allen Menschen" (Apg 10,34-38)
Liebe Schwestern und Brüder,
Vor einiger Zeit kamen Eltern mit ihrem Kinderwagen in den Gottesdienst, den ich mit einer kleinen Gemeinde feierte. Das Kind war gerade 14 Tage alt und hat den Got-tesdienst absolut nicht gestört. Es war sehr ruhig und hat viel geschlafen. Nach der Messe zog dieses Kind die ganze Aufmerksamkeit der Besucher auf sich. Alle standen um den Kinderwagen herum und bewunderten das kleine Baby. Es war ein kleines, nein, ein großes Wunder, was wir da betrachteten. Ein einmaliger, unverwechselbarer Mensch lag da vor uns. Wir alle konnten nur noch staunen. Ohne etwas vorweisen zu müssen oder schon etwas geleistet zu haben, war dieses Kind, dieser Mensch einfach da.
Vor Gott sind alle Menschen gleich. Er sieht nicht auf die Person, sondern ihm sind al-le willkommen. Mit anderen Worten: Gott sagt zum Menschen von der ersten Minute an sein unbedingtes Ja. Er akzeptiert gerade das Kind in all seinen Werdemöglichkei-ten. In unserer Gesellschaft sieht es meistens anders aus. Viele haben den Eindruck: Ich bin nur eine Nummer, ein Aktenvorgang, den es zu bearbeiten gilt. Aber hinter diesen Nummern stehen Menschen, Personen, Schicksale.
Wir alle haben einen Namen, mit dem wir gerufen und angesprochen werden können. Auch bei Gott haben wir einen Namen. So heißt es im Alten Testament: „Ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein.“ (Jes,43,1). Das dürfen wir auch auf die die Taufe beziehen. Für Gott sind wir keine Nummer, kein Aktenvorgang. Vor Gott sind wir eine Person, die mit einer großen Würde ausgestattet ist und die es zu beach-ten gilt. Gerade in der Taufe wird dies deutlich spürbar. Er nimmt uns an, so wie wir sind.
Der hl. Franz von Sales hat das Bild vom „Kindsein“ für die Gottesbeziehung in die christliche Spiritualität eingebracht. Er vergleicht die Gottesbeziehung mit einem Kind, das an der Brust seiner Mutter Nahrung findet: „Solange ein Kind noch ganz klein ist, ist es ganz Einfachheit, es hat nur eine einzige Erkenntnis: Die Mutter; nur ein Verlangen: die Brust der Mutter. An diese Brust gelegt und gebettet, ist es wunsch-los. Die vollkommen einfache Seele hat auch nur eine Liebe: Gott. Und diese Liebe hat wiederum nur ein Verlangen: Ruhen an der Brust des himmlischen Vaters, dort als wahrhaft liebendes Kind wohnen, dem guten Vater alles Sorgen um das eigene Wohl überlassen.“
In der heutigen Lesung geht es um die Taufe des römischen Hauptmanns Kornelius und um die Predigt des Petrus. Kornelius wird „gottesfürchtig“ genannt. Er war dem Judentum gegenüber offen und hielt sich an einige seiner Gebräuche. Menschen wie er durften sogar am Gottesdienst in der Synagoge teilnehmen. Trotzdem war es einem Juden aber nicht erlaubt, mit solchen Menschen Kontakt zu pflegen, das heißt, sie zu besuchen oder gar mit ihnen zu essen. In diesem Zusammenhang ist die Predigt des Petrus interessant. Während er über den Weg und das Leben Jesu predigt, spüren er und die anderen gläubig gewordenen Juden, dass die Gaben des Heiligen Geistes auf alle, auch auf die Heiden, ausgegossen wurden. An dieser Stelle wird deutlich: Alle Menschen sind Gottes geliebte Söhne und Töchter. Auch Heiden können gottesfürch-tig und gerecht sein. Gott sieht nicht auf das Äußere, orientiert sich nicht an menschli-chem Denken, das manchmal schon an der Zugehörigkeit zu einem bestimmten Volk an seine Grenze kommt. Gottes Volk ist das Volk aus den vielen Völkern.
Das Ja Gottes zu allen Menschen ist begründet in seinem Ja zu seinem Sohn Jesus. Dies wird bei seiner Taufe sichtbar und spürbar. Jesus zeigt sich mit den Menschen so-lidarisch. Er, der keine Bekenntnis- oder Umkehrtaufe nötig hatte, reihte sich ein unter die Taufbewerber. Und Gott sagte sein deutliches Ja zu ihm, verlieh seiner Annahme und Zuneigung Ausdruck. Der Sohn ist zugleich der Erwählte und Geliebte.
Heute, am Fest der Taufe des Herrn, werden wir auch an unsere eigene Taufe erinnert und eingeladen, sie zu erneuern; denn die Taufe ist eine Entscheidung, die ein Leben lang eingeholt werden muss. Tauferneuerung heißt, sich bewusst zu werden, dass Gott in jedem und jeder von uns vom ersten Moment unseres Daseins an wirkt.
Dies bedeutet nicht, dass uns jetzt nichts mehr passieren kann. Aber Gott begleitet uns durch dieses Leben. Ich kann und darf aufrecht durch dieses Leben gehen, weil er mit mir geht. Ich kann zu mir stehen, weil er zu mir steht. Ich kann mich anschauen, weil er mich anschaut, schon von Beginn meines Lebens an. Mit dieser Zusage kann ich versuchen, mein Christsein zu leben. Tauferneuerung heißt, sich von neuem dem Christsein mit allen Konsequenzen zu stellen: das Leben im eigenen Umkreis zu för-dern, aufzubauen, statt zu zerstören, Recht zu schaffen statt Unrecht, befreiend zu wir-ken, statt einzuengen. In der Tauffeier wird für mich dieses „Mit-uns-Sein“ sichtbar und spürbar. Ich lege nach der Predigt dem Kind ganz bewusst die Hand auf den Kopf. Es ist an dieser Stelle eine ganz eigenartige – im positiven Sinne – Atmosphäre in der Kirche. Meistens ist der Täufling ganz ruhig, und auch die Mitfeiernden sind ganz ge-spannt, was jetzt wohl passieren wird. Ich halte einen Augenblick bei der Handaufle-gung inne und bete dann ein Segensgebet über das Kind, in dem zum Ausdruck kommt, dass Gott mit diesem Kind ist und es auf seinem Lebensweg begleiten wird. Nicht ohne Grund ist die Taufe das erste Sakrament und steht am Beginn unseres Le-bens. Sie ist Fundament unseres Christseins und gleichzeitig Zusage.
Ich möchte diese Gedanken mit folgendem Gebet abschließen: „Gott wir staunen, wie sich im kleinen Kind deine Schöpfung zeigt. Wie es langsam wächst, schauen, hören, gehen lernt. Da wird etwas von deiner Kraft sichtbar. Wir freuen uns, dass es das Ge-schenk des kleinen Kindes immer wieder gibt. Mit der Taufe sagen wir: Alles ist Gna-de, alles ist Geschenk, dieses Kind und unsere Freude. Als Jesus getauft wurde, da - heißt es – ging der Himmel auf, und eine Stimme war zu hören: Dies ist mein geliebter Sohn. Das wünschen wir bei der Taufe den Kindern: einen offenen Himmel, einen Gott, der sagt: Für diese Kinder bin ich da.“
P. Hans-Werner Günther OSFS
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