Weihnachten

Der Mensch ist das Ziel der Liebe Gottes


1.  Weihnachten im Leben des hl. Franz von Sales

Die Advents- und Weihnachtszeit spielten im Leben des heiligen Franz von Sales eine große Rolle.
Seine Priesterweihe erhielt er am 18. Dezember 1593. Ein paar Tage später, am 23. Dezember, feierte er seine erste Heilige Messe in seiner Heimatgemeinde Thorens. Seine ersten Predigten als neugeweihter Priester drehten sich um das Fest der Menschwerdung Gottes.
Ein wesentliches Ereignis in seinen ersten Priesterjahren als „Missionar im Chablais“ war die Weihnachsmette in Thonon 1596, die erste Eucharistiefeier, die nach Jahrzehnten des Calvinismus in der dortigen Pfarrkirche St. Hippolyth gefeiert wurde. Der anerkannte Franz von Sales-Biograf Etienne-Jean Lajeunie beschreibt dieses Ereignis als „Höhepunkt in seinem Leben“.
Seine Bischofsweihe in Thorens fand am 8. Dezember 1602 statt. Franz hat sich dieses Datum des Festes der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau Maria ganz bewusst gewählt, ebenso den Tag seiner Inthronisation als Bischof in Annecy, den 14. Dezember 1602, ein Mariensamstag.
Auch das Ende seines irdischen Lebens fiel für Franz von Sales in die Zeit des Geburtsfestes Jesu. Seine letzten Predigten waren Weihnachtspredigten, bevor er am Fest der Unschuldigen Kinder, am 28. Dezember 1622, starb.
Siehe auch seine letzte erhaltene Predigt "Zum Weihnachtsfest"

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2.  Weihnachten in der Lehre des hl. Franz von Sales

Aber nicht nur rein äußerlich, sondern auch vom theologischen Inhalt her war Franz von Sales von diesen Wochen des Kirchenjahres fasziniert. Die Menschwerdung Gottes spielte nämlich in seiner Theologie und Spiritualität eine herausragende Rolle.
Zur damaligen Zeit stellte man sich nicht nur unter den Theologen die Frage, warum Gott eigentlich Mensch wurde. Warum kam Gott auf die Idee, als Jesus Christus durch Maria in Betlehem geboren zu werden.
Eine Antwort damals lautete: Gott wurde Mensch, um uns Menschen zu erlösen. Nach der Erschaffung der Welt und des Menschen kam es leider zum Sündenfall. Die Geschichte zeigt dann, dass sich der Mensch immer weiter und weiter in die Sünde verstrickte. Er schaffte es einfach nicht, aus diesem Teufelskreis von Sünde und Schuld herauszukommen. Im Menschen wurde daher die Sehnsucht nach einem Erlöser - dem Messias - immer lauter. Schließlich erhörte Gott diese Bitte und sandte seinen Sohn als Retter und Erlöser auf diese Welt.
Das war die eine Antwort. Und diese Erklärung ist sicher richtig. Einige Theologen jedoch, darunter auch der hl. Franz von Sales, fragten sich, ob diese Erklärung alles ist, um das Geheimnis der Menschwerdung Gottes zu ergründen. Kann es nicht sein, dass Gott auch dann Mensch geworden wäre, wenn der Mensch nie gesündigt hätte?
Vielleicht mag diese Frage zunächst etwas zu fachtheologisch klingen. Ist doch völlig egal, warum Gott Mensch wurde, Hauptsache er hat es getan. Ein Beispiel kann erklären, warum diese Frage durchaus wichtig ist. Angenommen ein heranwachsendes Kind fragt plötzlich seine Eltern: "Mama, warum bin ich auf der Welt?" - Und die Mama antwortet: "In der katholischen Morallehre ist es verboten, künstliche Empfängnisverhütungsmittel zu verwenden, daher versuchten wir es mit der natürlichen Verhütungsmethode, das hat aber nicht geklappt. Also bist du auf die Welt gekommen." Ich denke, das Kind wäre mit dieser Antwort ziemlich unzufrieden, ja wahrscheinlich sogar schockiert.
Unseren Theologen ging es genauso. Sie meinten: Hinter der Menschwerdung Gottes muss doch viel mehr stecken als bloß der Sündenfall und die Notwendigkeit, den Menschen zu erlösen.
Der heilige Franz von Sales stellte sich dieser Frage nach dem Geheimnis der Menschwerdung Gottes in seinem theologischen Hauptwerk "Abhandlung über die Gottesliebe" oder auch "Theotimus" genannt (DASal 3,108-110). Und dort kommt er zu einem Ergebnis, das bis heute allgemein anerkannte Lehre der Katholischen Kirche ist. Und diese Antwort, die er gefunden hat, ergründet tatsächlich das wahre und tiefste Geheimnis von Weihnachten:
Der Grund, warum Gott Mensch wurde, ist nicht die Sünde, sondern die Liebe. Der Grund, warum wir heute Weihnachten feiern ist nicht unsere Erlösungsbedürftigkeit, sondern die Liebe Gottes. Gott liebt uns Menschen so sehr, dass er von Ewigkeit her geplant hat, ebenso Mensch zu werden. Wer jemanden liebt, der möchte einfach diesem geliebten Menschen ganz nahe sein. Weil Gott uns Menschen liebt, wollte er einer von uns werden.
Also: Auf die Frage des Kindes, warum es auf der Welt ist, antwortet die Mutter: Weil wir dich lieben. Auf die Frage, warum Gott Mensch wurde, lautet die Antwort: Weil Gott die Liebe ist, und er uns Menschen liebt.
Weihnachten ist also nicht die Folge der Sünde und Bosheit der Menschen, sondern Ausdruck der übergroßen Liebe, die Gott gegenüber seiner Schöpfung und den Menschen empfindet. Diese Liebe ist so groß, dass er mit den Menschen eins werden will.
Das Geheimnis der Menschwerdung zeigt: Der Mensch ist kein Zufallsprodukt eines Experimentiergottes, der Mensch ist vielmehr das Ziel seiner Liebe. Oder mit den Wort des hl. Franz von Sales gesagt:
"Bei all unseren Werken, die wir schaffen oder beginnen, haben wir, falls wir gut beraten sind, das Ziel vor Augen, weil wir es haben müssen. Wenn z. B. jemand ein Haus oder einen Palast bauen will, überlegt er zuerst, ob es als Wohnung für einen Winzer oder irgendeinen Bauern bestimmt ist oder vielmehr für einen Herrn. Er muß ja eine ganz andere Bauweise anwenden je nach dem Stand der Person, die er hier wohnen lassen will. Der ewige Vater hat dasselbe getan, als er die Welt schuf; er plante ja, sie für die Menschwerdung seines Sohnes zu schaffen, der das ewige Wort ist. Das Ziel seines Werkes war also dessen Anfang, denn seine göttliche Weisheit hat ja von aller Ewigkeit vorhergesehen, daß das Wort unsere Natur annehmen und auf diese Erde kommen soll. Das alles hatte er beschlossen, ehe Luzifer und die Welt geschaffen wurden und ehe unsere Stammeltern sündigten, und wir halten nach der Überlieferung für sicher, daß Unser Herr ... in diese Welt gekommen ist, unsere Natur angenommen hat und Mensch wurde." (DASal 9,464)

Herbert Winklehner OSFS


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