Zum Fest des hl. Petrus

Annecy, 29. Juni 1593 (OEA VII,31-54; DASal 9,16-32)

Du bist Petrus, und auf diesem Felsen will ich meine Kirche bauen (Mt 16,18).

Meine lieben Zuhörer, in der vergangenen Woche habe ich euch von dieser Kanzel Brot gereicht mit den Worte: „Das ist das Brot, das vom Himmel herabgekommen ist.* Es könnte manchen befremden, daß ich euch heute hier einen Stein reiche mit den Worten: Du bist Petrus, und auf diesem Felsen will ich meine Kirche bauen. Trotzdem versprach ich euch, als ich euch zu dieser Predigt einlud, eine ähnliche geistliche Nahrung wie jene, die ich euch damals bot. Nein, ich täusche mich nicht, denn ich reiche euch diesen Stein nach dem allmächtigen Wort Unseres Herrn; das gibt uns die Gewißheit, daß dieser Stein uns alle nähren wird: Petrus, liebst du mich? Herr, du weiß, daß ich dich liebe. Weide meine Schafe (Joh 21,17).

Wenden wir uns an unsere glorreiche Herrin, die heilige Jungfrau; bitten wir sie, daß sie zu ihrem göttlichen Sohn sage, nicht um ihn zu versuchen, sondern um ihn zu verherrlichen: Sag, daß dieser Stein zu Brot werde (Mt 4,3). Seid überzeugt, wie Unser Herr euch in der vergangenen Woche gespeist hat mit dem Mark des Weizens, wird er euch jetzt sättigen mit Honig aus dem Felsen (Ps 81,17). Dazu erbitten wir den Beistand der heiligen Jungfrau und sagen: Ave Maria.

Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: als du jünger warst, hast du dich selbst gegürtet und bist gegangen, wohin du wolltest. Wenn du aber älter bist, wirst du deine Hände ausbreiten und ein anderer wird dich gürten und dich führen, wohin du nicht willst (Joh 21,18). Alles hat seine Zeit: eine Zeit, geboren zu werden, und eine Zeit zu sterben (Koh 4,1f), sagt die Heilige Schrift. Das veranlaßt mich, unsere Mutter, die heilige Kirche zu bewundern, die nicht ohne Grund angeordnet hat, daß man während der Oktav von so großer Freude, wie die der Geburt des hl. Johannes ist, das glorreiche Gedächtnis des Martyriums des hl. Petrus feiert, des großen Lenkers der streitenden Kirche. Wenn die Heilige Schrift (Sir 22,6) sagt, Musik während der Trauer ist wie ein Geschwätz zur Unzeit, und wenn es eine Zeit zu sterben und eine Zeit, geboren zu werden, gibt, warum hat man dann in der gleichen Oktav den Tod des hl. Petrus mit der Geburt des hl. Johannes vereinigt? Es wäre gewiß ganz leicht, eine Antwort auf diesen Einwand zu finden und diese Bewunderung zu rechtfertigen. Aber vielleicht sagt ihr mir, die Kirche halte jene nicht für tot, die als Märtyrer sterben, sondern für lebendig. Da sie in ein besseres Leben eingehen, habe man allen Grund, sich über ihren Tod zu freuen; da ihre Geburt von der Sünde begleitet ist, bringe sie ihnen Leid, ihr Tod aber führe sie zur Herrlichkeit, deshalb feiere man ihre Geburt an ihrem Todestag.

Wenn aber die Geburt der Heiligen armselig ist und ihr Tod glorreich, warum gibt man dann einer glorreichen Sache wie dem Tod den beklagenswerten Namen Geburt? Ich finde soviel Ähnlichkeit zwischen der Geburt des hl. Johannes und dem Tod des hl. Petrus, daß beide als Tod und beide als Geburt bezeichnet werden müssen; es ist ja unwahrscheinlich, daß zwei so ähnliche Dinge verschiedene Namen haben müßten. Wenn ich die Ähnlichkeit und herrliche Übereinstimmung zwischen der Erschaffung der Welt und ihrer Erneuerung und Wiederherstellung betrachte, bin ich voll Bewunderung für den großen Schöpfer. Er verstand es vorzüglich, durch ein so schönes Mittel und göttliches Geschick in der Erschaffung und Erneuerung die Einheit des Schöpfers und Erlösers zu zeigen. Aber heute will ich mich nicht bei diesen Dingen aufhalten, um sie zu erläutern; ich will nur das aufgreifen, was meinem Vorhaben für diesen Festtag entspricht.

Wenn ich überlege, daß die Mutter Kirche uns in der festlichen Oktav der Geburt des hl. Johannes das Fest des schmerzlichen Todes des hl. Petrus vorschlägt, und wenn ich weiß, daß sie vom Heiligen Geist geleitet ist, dann glaube ich, daß sie das tut wegen einer gewissen Ähnlichkeit und Beziehung zwischen dem Tod des einen und der Geburt des anderen. In diesem Gedanken werde ich um so mehr bestärkt, da ich sehe, daß die gleiche Kirche ebenso den Tod des hl. Petrus als Geburt bezeichnet wie die Geburt des hl. Johannes. Ich sehe, daß ich nicht nur in ihrem Tod sondern auch in ihrem Leben selbst eine Verbindung und Ähnlichkeit finde, wenn es auch in bestimmten Punkten einen Unterschied gibt, wie es stets zwischen Dingen des Alten und des Neuen Bundes zutrifft.

Gewiß, als ich in der Genesis (1,1) las, daß Gott zwei große Leuchten am Himmel schuf, die eine, um den Tag zu beherrschen und zu erhellen, die andere für die Nacht, da dachte ich sogleich, daß dies die beiden großen Heiligen seien, der hl. Johannes und der hl. Petrus. Dünkt euch nicht, daß der hl. Johannes das große Gestirn des mosaischen Gesetzes ist, das nur ein Schatten oder wie eine Nacht war im Vergleich zur Helle des Gesetzes der Gnade, obgleich er mehr als ein Prophet (Mt 11,9) war? Obwohl er nicht das Licht war, gab er dennoch Zeugnis für das Licht durch eine gewisse Teilnahme am Licht, das in der Finsternis leuchtet (Joh 1,5.8). Und meint ihr nicht, daß der hl. Petrus die größere Leuchte des Evangeliums ist, weil er dem Tag des Evangeliums vorsteht? Diese zwei Leuchten wurden von Jenem am Himmel der Kirche angebracht, der sie geschaffen und gebildet hat, Unser Herr Jesus Christus.

Wir lesen (Ex 25,18-20), daß auf dem Gnadenthron zwei Kerubim waren, die einander zugewandt waren. Der Gnadenthron, meine lieben Zuhörer, ist Unser Herr. Der ewige Vater hat ihn uns gegeben, daß er das Sühneopfer für unsere Sünden (1 Joh 2,1) sei; ihn hat Gott als Sühneopfer dargestellt (Röm 3,25). Die zwei Kerubim, glaube ich, sind der hl. Johannes und der hl. Petrus; sie sehen einander an, der eine als Prophet, der andere als Apostel. Meint ihr nicht, daß sie einander ansahen, als der eine sagte: Seht das Lamm Gottes (Joh 1,29.36), und der andere: Du bist Christus, der Sohn Gottes (Mt 16,16)? Es ist wahr, daß das Bekenntnis des hl. Johannes noch ein wenig nach dem alten Gesetz klingt, wenn er Unseren Herrn Lamm nennt, denn er spricht vom Gleichnis; das des hl. Petrus dagegen verrät den Tag, weil Johannes der Nacht vorstand, Petrus dem Tag. Das sage ich nicht, um euch zu verstehen zu geben, der hl. Johannes hätte die Wahrheit nicht gut gekannt, sondern damit ihr wißt: so wie der hl. Petrus, der als das große Gestirn über dem Tag stand, offen spricht, so paßt sich der hl. Johannes der Zeit an, der er vorstand, die eine Zeit der Schatten und Bilder war, und spricht geheimnisvoller. Bei der Erschaffung der Welt heißt es (Gen 1,2): Der Geist des Herrn schwebte über den Wassern. Der einfache Text will im Grunde sagen: befruchtete, belebte. So, scheint mir, hat Unser Herr bei der Erneuerung der Welt die Wasser fruchtbar gemacht, als er am See Gennesaret wandelte. Und mit dem Wort, das er zum hl. Petrus und zum hl. Andreas sprach: Folgt mir nach, ließ er bei den Seemuscheln den hl. Petrus und den hl. Andreas hervorgehen (Mt 4,18f). Darin ist der hl. Johannes dem hl. Petrus auch in etwa ähnlich, da es am Ufer des Wassers war (Joh 1,28), wo der hl. Johannes zum erstenmal die Ehre hatte, Jenen zu sehen, den er ankündigte, so wie der hl. Petrus am Wasser seinen göttlichen Meister erkannte und ihm folgte. Da wir aber beim Geheimnis der Berufung des hl. Petrus sind, will ich euch darüber eine tiefe Erwägung darlegen.

Pharao hatte den Hebammen der Hebräer befohlen, alle Knaben Israels zu töten. Die Mutter des Mose hegte diesen nach seiner Geburt drei Monate, und als sie ihn schließlich nicht mehr verbergen konnte, legte sie ihn in einen Binsenkorb, den sie so gut als möglich zurechtgemacht hatte, dann setzte sie ihn bei bestimmten Wasserpflanzen am Ufer des Wassers aus. Als die Tochter des Pharao dorthin kam, um zu baden, sah sie ihn, ließ ihn holen, und da sie sah, daß der kleine Knabe sehr schön war, ließ sie ihn zum Glück von seiner eigenen Mutter ernähren. Weil sie ihn aus dem Wasser gezogen hatte, nannte sie ihn Mose, d. h. der Herausgezogene (Ex 1 u. 2). Erkennt ihr nicht das Geheimnis, das diese Geschichte enthält? Mose war das Haupt der Synagoge und wurde durch die Vorsehung Gottes dazu gerettet und aus dem Wasser gezogen. Seht, Unser Herr, die einzige Weisheit des ewigen Vaters (Spr 8,12), holt das Oberhaupt der streitenden Kirche, den hl. Petrus, aus dem Wasser am See von Cäsarea. Man könnte ihn sehr wohl Mose nennen, weil er aus dem Wasser gezogen wurde wie Mose. Und tatsächlich will Simon, einer der Namen des hl. Petrus, das gleiche aussagen, denn Simon bedeutet gehorsam. Mose bedeutet einfach herausgezogen, da er noch nicht den Gebrauch der Vernunft besaß, als man ihn herauszog. Der hl. Petrus wird gehorsam genannt, weil er, im Gebrauch der Vernunft berufen, durch den Gehorsam herausgezogen wurde: Folgt mir nach. Und sogleich folgten sie ihm (Mt 4,19). Der hl. Petrus war also Mose und dem hl. Johannes ähnlich. Doch betrachten wir jetzt die Ähnlichkeit der Geburt des hl. Johannes und des hl. Petrus, jedoch unter der Voraussetzung, daß wir die des hl. Johannes nur streifen, um uns mehr beim hl. Petrus aufzuhalten. Zunächst finde ich, daß die Geburt des hl. Johannes durch den Engel vorhergesagt wurde: Und viele werden sich über seine Geburt freuen (Lk 1,14). Die des hl. Petrus wurde ebenfalls vorhergesagt; der große Unterschied liegt aber darin, daß die des hl. Johannes der Engel vorhersagt, die des hl. Petrus von Unserem Herrn vorhergesagt wurde (Joh 21,18f). Der hl. Johannes wurde geboren, um das mosaische Gesetz zu beenden, der hl. Petrus starb, um die katholische Kirche zu beginnen. Nicht als ob der hl. Petrus der grundlegende Beginn der Kirche, noch der hl. Johannes das Ende der Synagoge wäre, denn es ist Unser Herr, der dem Gesetz des Mose ein Ende setzte, als er am Kreuz sagte: Es ist vollbracht (Joh 19,30), und in seiner Auferstehung die neue Kirche begann; denn wie er sich selbst erneuerte, so erneuerte er auch seine Kirche. Er erneuerte sich, sage ich, indem er bei der Auferstehung mit Unsterblichkeit bekleidet wurde, er, der zuvor mit unserer Sterblichkeit bekleidet war: Und er wurde im Äußeren als Mensch erfunden (Phil 2,7). Der Rabbi Saadias sagt, wenn der Adler durch das Feuer fliegt und sich dann ins Meer stürzt, erneuert er seine Schwingen und seine Jugend. So verbrannte Unser Herr im Feuer seiner übergroßen Liebe und stürzte sich dann in das Wasser des Roten Meeres seiner Passion; dadurch erschien er, als er aus ihr auferstand, glorreich, erneuert wie der Adler, wie es in den Psalmen heißt: Wie dem Adler wird dir deine Jugend erneuert (Ps 103,5).

Die Geburt des hl. Johannes wurde dem Zacharias angekündigt, als er dem Herrn das Rauchopfer bereitete, wie es beim hl. Lukas (1,9) heißt: Als Zacharias dem Herrn das Rauchopfer darbrachte. Doch was glaubt ihr, welches Rauchopfer der hl. Petrus dem Herrn darbrachte, als er ihm antwortete: Herr, du weißt, daß ich dich liebe (Joh 21,17), als einzigen Wohlgeruch, der seiner göttlichen Majestät wohlgefällig ist.

Der hl. Johannes wurde im Schoß seiner Mutter geheiligt in Gegenwart der heiligen Jungfrau; ebenso wurde der hl. Petrus im Schoß der streitenden Kirche geheiligt.

Ihr müßt aber wissen, daß die Heiligen auf fünffache Weise geheiligt werden: 1. aus notwendiger Konsequenz; so war Unser Herr geheiligt, der als wahrer Sohn Gottes nur heilig sein konnte. Da er seiner Natur nach heilig ist, heißt er heilig schlechthin: Der Heilige wird Sohn Gottes genannt werden (Lk 1,35), da er einer der drei Sanctus, Sanctus, Sanctus ist (Jes 6,3), die die Serafim, die Jesaja sah, im Himmel unablässig zu Ehren der heiligsten Dreifaltigkeit singen. Die zweite Art ist die jener, die bedingt und durch keine andere Notwendigkeit als durch den Willen Gottes heilig sind; gleichwohl sind sie es immer. Von dieser zweiten Art haben wir nur die heilige Jungfrau, von der David sagt: Herr, du hast dein Land gesegnet, hast die Gefangenschaft Jakobs abgewendet (Ps 85,1). Die dritte Weise der Heiligung ist die jener, die nicht immer heilig sind, sondern erst im Schoß ihrer Mutter geheiligt wurden. Solche waren der hl. Johannes, Jeremia und nach der Auffassung einiger der hl. Josef. Auf sie wendet man die Worte (Jer 1,5) an: Ehe du aus dem Mutterleib hervorgingst, habe ich dich geheiligt. Die vierte Weise ist die jener, die geheiligt wurden durch eine allgemeine Heiligung für alle Gerechten vor ihrem Tod; von ihnen heißt es (Weish 3,1): Die Seelen der Gerechten sind in Gottes Hand. Die letzten aber sind geheiligt, nicht durch eine allgemeine Heiligung, die man Rechtfertigung nennt, sondern durch eine besondere Heiligung, die sie nicht mehr verlieren können. Dafür haben wir das Zeugnis des hl. Paulus, der (Röm 8,38f) sagt, er sei überzeugt, daß nichts, nicht einmal der Tod ihn von der Liebe Jesu Christi trennen könne: Ich weiß, daß nicht einmal der Tod uns von der Liebe Christi trennen wird. Um euch nun zu zeigen, welche Beziehung zwischen dem hl. Johannes und dem hl. Petrus besteht, finde ich, daß die heilige Jungfrau bei ihrer Heiligung gegenwärtig war. Über die des hl. Johannes heißt es: bei ihrer Ankunft bei der hl. Elisabet hüpfte das Kind vor Freude (Lk 1,44). Dasselbe kann man von der Heiligung des hl. Petrus sagen, die im Abendmahlssaal erfolgte, wo auch die heilige Jungfrau zugegen war, bei der Herabkunft des Heiligen Geistes. So kann man von ihm wie vom hl. Johannes sagen: Das Kind jubelte, weil der hl. Petrus vorher wie ein Kind gleichsam nie gesprochen hatte und sogleich seinen Mund öffnete (Apg 2,14), zu predigen und die Menschen zu Tausenden zu bekehren begann.

Der hl. Johannes war der letzte Prediger des mosaischen Gesetzes, der hl. Petrus der erste des Evangeliums. Ihr zwei brennende Leuchten der Predigt, helft durch eure heilige Fürsprache meiner Jugend, damit es Gott gefalle, sich meiner in dieser Aufgabe zu bedienen, um seinem Volk die Erkenntnis des Heiles zu schenken, zur Vergebung ihrer Sünden (Lk 1,77), auf daß ich meine Lippen durch Unseren Herrn so zu öffnen vermöge, daß mein Mund sein Lob verkünde, daß ich das Rechte lehre, und was ich lehre, in der Tat vollbringe, damit ich nicht anderen predige und selbst verworfen werde (Ps 1,17; 1 Kor 9,27).

Bis jetzt habt ihr gesehen, welche Übereinstimmung zwischen der Geburt des hl. Johannes und dem Tod des hl. Petrus besteht. Jetzt wollt ihr vielleicht wissen, wer der Größere ist im Himmelreich (Mt 18,1). Das ist eine Frage, die ich nicht gut beantworten kann. Ich will euch nur sagen: ahmt die Heiligkeit des einen wie des anderen nach, dann werdet ihr es wissen, sobald ihr im Himmel seid. Als die Philosophen vor mehr als 2000 Jahren die Ursache von Flut und Ebbe suchten, konnten sie diese nie finden; aber ich will euch nicht dieses Ziel setzen, um die Lösung dieser Frage zu kennen: studiert nur die Heiligkeit dieser zwei großen Heiligen durch die Nachahmung, und die meisten der hier Anwesenden werden sie in kurzer Zeit wissen.

Übrigens nennt die Kirche den Tod des hl. Petrus eine Geburt, weil er im Tod das Leben gefunden hat. Der Tod des hl. Johannes konnte aber nicht als Geburt bezeichnet werden, da er in den Vorhimmel eingehen mußte, weil der Himmel damals noch nicht geöffnet war. Seit der Himmelfahrt des Herrn nun haben diejenigen, die diese Sterblichkeit geringschätzen, aus ihrem Tod eine Geburt gemacht. Ich täte aber der Schriftstelle Unrecht, die ich am Anfang dieser Predigt angeführt habe, wenn ich noch länger den Ähnlichkeiten zwischen der Geburt des hl. Johannes und dem Tod des hl. Petrus nachginge, da ich soviel Gelegenheit habe, einen höheren Vergleich anzustellen, nämlich zwischen dem Tod des hl. Petrus und dem unseres göttlichen Erlösers. Niemand soll sagen, alle Vergleiche seien verpönt und es gebe keinen Vergleichspunkt zwischen dem Herrn und dem Diener, da Unser Herr keine Bedenken hatte, sich mit den Hirten und den Schafen zu vergleichen, mit dem Weinstock und mit den Steinen. Der hl. Paulus sagt im Römerbrief (8,29): Die er vorherwußte, hat er auch vorherbestimmt, dem Bild seines Sohnes gleichförmig zu werden. Er nennt sich unseren Bruder (Joh 20,17), er nennt uns seine Freunde (Joh 15,14f) und seine Miterben (Röm 8,17); außerdem gibt er uns einen Namen, dessen Grundlage überhaupt nicht mitteilbar ist: Ich habe gesagt, Götter seid ihr und Söhne des Allerhöchsten (Ps 82,6). Aber beachtet das, denn Gott nennt uns Götter; der Teufel nennt uns Götter, wenn auch nicht unbedingt, wenn er sagt: Ihr werdet wie Götter sein, Gut und Böse erkennend (Gen 3,5). Gott gibt uns diese Namen, um uns zu demütigen und uns seine Liebe zu zeigen; der Teufel wendet sie auf uns an, um uns in Hochmut fallen zu lassen und auf diese Weise von der Liebe zu trennen. Schließlich zeigen diese Namen, die den Menschen gegeben wurden, mehr die Ehre Gottes als die der Menschen: Er ist so gütig, daß er uns ihm ähnlich machen will, soweit unsere Niedrigkeit das zuläßt.

Meine lieben Zuhörer, wir dürfen es also nicht mit unserem kleinen Verstand kritisieren und verurteilen, wenn wir sehen, daß die Kirche bestimmten großen Heiligen, namentlich unserer glorreichen Herrin, hervorragende Titel gibt. Sie hat ja mehrere Namen, die ihr nicht nur bild- und gleichnishaft zukommen, sondern in Wahrheit, wie Mutter der Gnade, Mutter Gottes und folglich Königin der Engel, Königin des Himmels und der Erde, Zuflucht der Sünder, Mutter der Barmherzigkeit. Sie, die wahrhaft die Mutter Gottes ist, besitzt ja alle Titel offenbar mit größerem Recht, als ein König den Namen seines Königtums trägt. Die übrigen Namen der heiligen Jungfrau verstehen sich als angemessen durch Teilnahme, so wenn wir sie unsere Zuflucht, unsere Hoffnung nennen, weil sie es tatsächlich ist, obwohl sie es nur durch Anteilnahme und durch ihr Ansehen ist.

Als Unser Herr zum hl. Petrus gesagt hatte, wenn er älter geworden sei, werde er seine Hände ausstrecken, werde gebunden und geführt, wohin er nicht wolle, da sagte er zu ihm: Folge mir (Joh 21,19). Der hl. Augustinus fragt, warum Unser Herr zum hl. Petrus sagt: Folge mir; er antwortet: Das ist, als wollte er ihm sagen: Was dich betrifft, Petrus, du wirst mir nicht nur in den Tod folgen, sondern auch in der Art des Todes. Dem stimmt auch Euthymius zu, obwohl Theophylact dieses Wort so versteht, als wollte ihm Unser Herr sagen: Sei mein Stellvertreter. Die eine wie die andere Auslegung ist gut, denn Unser Herr sagte ihm: Folge mir, in der Folge dessen, was er ihm vorher gesagt hat. Nun hat er ihm zwei Dinge gesagt: 1. Weide meine Lämmer; 2. Wenn du aber älter geworden bist, wirst du deine Hände ausstrecken ... Infolgedessen sagt er ihm zweimal: Folge mir: das erste Mal, nachdem er ihm seinen Tod vorhergesagt hat: Nach diesen Worten sagte er zu ihm: Folge mir nach (Joh 21,19), als wollte er sagen: Du wirst gekreuzigt, um zu zeigen, daß du meine Schafe nicht nur mit meinem Wort nährst, sondern auch nach meinem Vorbild; sei also Hirte, mein Statthalter und mein Stellvertreter. Das zweite Mal sagt er zu ihm: Folge mir, als Petrus wissen wollte, was mit dem hl. Johannes geschehen soll (Joh 21,22). Der hl. Johannes wird bleiben, wie es mir gefallen wird; was dich betrifft, mußt du mir nachfolgen, nicht nur als Stellvertreter in der Leitung der Kirche, sondern auch darin, daß du an einem Kreuz stirbst wie ich. Der Ort, wo der hl. Petrus gekreuzigt wurde, ist ohne Zweifel Rom, denn das berichtet die ganze alte Überlieferung. Damit sind unsere Gegner nicht einverstanden; sie wollen nicht nur leugnen, daß er in Rom gestorben ist, sondern auch, daß er dort seinen Sitz hatte, und das mit den lächerlichsten und haltlosesten Begründungen, die man sich vorstellen kann. Indessen bestätigt es der Apostelschüler Papias (nach dem Bericht des Eusebius) und führt als Beweis dafür an, daß der hl. Petrus seinen ersten Brief von Babylon datiert, d. h. von Rom. Dieser Auffassung folgte auch der große hl. Hieronymus in seinem Werk „De viribus illustris“. Jemand, der in Fragen des Glaubens wenig bewandert ist und schlecht mit ihnen vertraut, wird mir sagen: Rom wird also Babylon genannt? Es grüßt euch die mit auserwählte Gemeinde in Babylon, schreibt er (1 Petr 5,13). Ja wirklich, denn in Rom, das durch die Schreckensherrschaft Neros mit dem Blut der Märtyrer getränkt war, herrschte damals der Götzendienst; deshalb mußte es die neronische Stadt oder Babylon genannt werden, nicht eine christliche Stadt. Beachtet deshalb, daß der hl. Petrus nicht sagt: Es grüßt euch die Gemeinde von Babylon, sondern: Es grüßt euch die mit auserwählte Gemeinde in Babylon. Die römische Christengemeinde war in Babylon, nicht von Babylon, so wie viele Antichristen aus uns hervorgegangen sind, aber sie waren nicht von uns (1 Joh 2,18f). So muß man auch die andere Stelle verstehen: Babylon saß auf den sieben Hügeln (Offb 17,9).

Der hl. Petrus war also in Rom und trat dem Magier Simon entgegen. Nachdem er die Kirche ungefähr 25 Jahre geleitet hatte, wollte Nero ihn töten lassen. Die Christen baten ihn aber, sich in Sicherheit zu bringen, da er für die Kirche sehr notwendig sei, die nicht ihr Oberhaupt verlieren könne, ohne Schaden zu nehmen. Deshalb verließ er Rom. Außerhalb des Tores erschien ihm Unser Herr. Da fragte ihn der große Heilige in seiner gewohnten Einfalt, wohin er gehe: „Herr, wohin gehst du?“ Unser Herr antwortete ihm: „Ich gehe nach Rom, um noch einmal gekreuzigt zu werden.“ Durch diese Worte erkannte der hl. Petrus, daß Unser Herr in seiner Person gekreuzigt werden wollte, da er gesagt hat: Was ihr einem meiner Geringsten getan habt, das habt ihr mir getan (Mt 25,40). Er kehrte schnell in die Stadt zurück, wurde sogleich ergriffen und zur Kreuzigung verurteilt. Aus Demut bat er jedoch, daß er mit dem Kopf nach unten und mit den Füßen nach oben gekreuzigt werde, da er aus Ehrfurcht nicht genau so wie sein göttlicher Meister sein wollte. So verherrlichte der große hl. Petrus, alt geworden, Gott, indem er seine Hände ausstreckte, wie ihm vorhergesagt war. Nun wird alles, was ich euch gesagt habe, von unwiderlegbaren Gewährsmännern berichtet, deren Auffassung kein Mensch von gutem Urteil zu widersprechen wagt. Da ist der hl. Ambrosius in seiner Rede gegen Auxentius, der hl. Athanasius in der Rechtfertigung seiner Flucht, der hl. Hieronymus in einer Predigt über den hl. Petrus, abgesehen von den Erinnerungen, die in Rom noch erhalten sind. So folgte also der hl. Petrus Unserem Herrn nach, nicht nur darin, daß er sein Stellvertreter auf Erden war, sondern auch darin, daß er am Kreuz starb wie er. Als Gott diese Welt erschuf und den Menschen erschaffen wollte, sagte er: Laßt uns den Menschen machen nach unserem Bild und Gleichnis, daß er herrsche über die Fische des Meeres, die Vögel des Himmels und die Tiere des Landes (Gen 1,26). So, scheint mir, hat er es auch bei ihrer Erneuerung gemacht. Als er den hl. Petrus zum Vorsteher und Leiter seiner ganzen Kirche machen wollte, daß er ebenso Befehlsgewalt habe über jene, die im Meer dieser Welt sind, wie über jene, die sich ins Kloster zurückziehen, um in der Luft der Vollkommenheit zu fliegen, da wollte er ihn sich ähnlich machen, und mir scheint, daß er sagte: Laßt uns ihn nach unserem Bild machen, d. h. dem gekreuzigten Jesus ähnlich; deshalb sagte er: Folge mir.

Nach der Sage war Narziß ein so stolzer Jüngling, daß er nie jemand seine Liebe schenken wollte. Als er sich aber schließlich in einer klaren Quelle betrachtete, war er von seiner Schönheit ganz hingerissen. Wenn wir uns in einer Quelle betrachten, erscheinen wir darin verkehrt dargestellt, den Kopf unten und die Füße oben. Meint ihr nicht, daß Unser Herr den hl. Petrus in seinem Martyrium betrachtete, da seine Augen auf den Armen schauen (Ps 11,32)? Er sah ihn wie im Meer der Bitterkeit und Drangsal, mit den Füßen nach oben gekreuzigt, so daß er wie sein wahres Abbild war. Und wenn Narziß, der nie jemand liebte, von seinem eigenen Spiegelbild so hingerissen war, wieviel mehr Unser Herr, der nur liebte? So sagt auch sein Lieblingsjünger von ihm: Da er die Seinen liebte, liebte er sie bis zum Äußersten (Joh 13,1). Und an einer anderen Stelle heißt es: Mit ewiger Liebe habe ich dich geliebt (Jer 31,5). Was meint ihr, sage ich, um wieviel mehr der göttliche Heiland von der Liebe des hl. Petrus hingerissen war, der wie sein Ebenbild war, versenkt im Meer der Trübsal des Martyriums? Zu den Jüngern von Emmaus sagte er: Mußte nicht Christus leiden, und so in seine Herrlichkeit eingehen? (Lk 24,26). Ebenso möchte ich sagen: Mußte nicht Petrus leiden, und so in die Herrlichkeit seines Herrn eingehen? Ja, ohne Zweifel, denn Unser Herr hatte ihm gesagt: Folge mir; komm in die Herrlichkeit, aber so wie ich.

Schaut auf die Passion: ihr werdet sehen, als Unser Herr das Kreuz nicht tragen konnte, da er von den Martern so zerschlagen war, da ließ man einen Mann kommen, um ihm zu helfen; er folgte ihm und trug das Kreuz auf seinen Schultern. Der Evangelist nennt nicht viele beim Namen, die bei der Passion anwesend waren; diesen aber nennt er, und nicht ohne Geheimnis nennt er ihn Simon. Simon trägt Unserem Herrn das Kreuz nach. Das Kreuz ist das Königszepter Unseres Herrn: Und seine Herrlichkeit ruht auf seinen Schultern (Jes 9.6), wie es der hl. Hieronymus auslegt. Dieses Zeichen war für den hl. Petrus wie ein Vorzeichen, daß er eines Tages das Kreuz und das Szepter Unseres Herrn tragen werde, nicht nur im Leiden, sondern auch im Herrschen. Simon von Zyrene trug das Kreuz, um anzudeuten, daß unser Simon das Kreuz Unseres Herrn in der Hand halten werde wie ein Szepter, um in der streitenden Kirche zu herrschen und zu leiden.

Von da aus kann ich euch zum Verständnis einer weiteren Schwierigkeit führen, die ich euch erklären will. Sie besteht darin, daß Unser Herr, als er dem hl. Petrus die Leitung seiner Herde übergeben wollte, ihn stets Simon, Sohn des Johannes nennt, nicht Petrus, obwohl er selbst seinen Namen geändert hat. Woher kommt das? Ein hervorragender Theologe unserer Zeit glaubt, das sei geschehen, um den hl. Petrus zu warnen, sich nicht zu überheben und sich zu erinnern, was er war, bevor Unser Herr ihn Petrus nannte. Ich glaube aber, daß darin ein tieferes Geheimnis liegt. Als Unser Herr dem hl. Petrus zeigen wollte, er werde ihn zum Haupt der Kirche bestellen, sagte er zu ihm: Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen. Wenn er ihm damit die Sorge für seine Herde übertrug, so gab er ihm auch einen seiner Namen, der Macht bedeutet; denn der Stein ist einer der Namen, die die Heilige Schrift Unserem Herrn beilegt: Der Stein aber war Christus (1 Kor 10,4). Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, ist zum Eckstein geworden (1 Petr 2,7). Er verhieß ihm also seine Stellvertretung in der Leitung der Kirche und gab ihm dazu einen seiner Namen, der Macht bedeutet.

Da er ihn aber nicht nur zu seinem Stellvertreter machen wollte, sondern auch vorhersagen, daß er den Tod am Kreuz erleiden werde, gab er ihm noch einen Namen des Leidens, des Kreuzes und des Martyriums, einen Namen, der Unserem Herrn zueigen war. Und welchen Namen des Martyriums, des Leidens und Duldens hatte unser Herr? Den Namen, der uns allen am Herzen liegen müßte, um uns zur Beobachtung der Gebote Gottes zu ermutigen; das ist der Name des Gehorsams. Hört, was der Apostel sagt: Er ist gehorsam geworden bis zum Tod, ja bis zum Tod am Kreuz (Phil 2,8). Im Hebräischen bedeutet der Name Simon „gehorsam“. Unser Herr, der ihm den Namen der Macht gab, als er ihm die Macht übertrug, gibt ihm also jetzt seinen Namen des Leidens und des Duldens, da er ihm seinen Tod vorhersagt: so kann man sagen, daß Simon Petrus geworden ist bis zum Tod.

Der hl. Petrus gab sich einmal als der Mutige, da er zu Unserem Herrn sagte: Auch wenn ich mit dir sterben müßte, werde ich dich nicht verleugnen (Mt 26,35). Dann hat er ihn auf das Wort einer Magd hin dreimal verleugnet. Als er seine Sünden erkannte, zog er sich sogleich zurück, um sie bitterlich zu beweinen, und nicht nur damals, sondern er beweinte sie ein Leben lang, wie der hl. Klemens sagt, so daß er wohl sagen konnte: Herr, besprenge mich mit Ysop der Reue, und ich werde von meiner Sünde gereinigt; wasche mich im Wasser meiner Tränen, und ich werde weißer als Schnee (Ps 51,9). Trotzdem tadeln die Centuriatoren von Magdeburg diese Sünde des hl. Petrus unaufhörlich, nennen sie schrecklich und abscheulich. Es war tatsächlich eine Sünde, die ihn die Furcht vor dem Tod begehen ließ. Sie täten aber besser, sich vor der Sünde zu hüten, als den Fehltritt des hl. Petrus so zu übertreiben. Mir scheint nun, der große Heilige habe am Kreuz zu solchen Leuten die Worte des hl. Paulus gesagt: Fürderhin falle mir niemand lästig, denn ich trage die Wundmale meines Herrn an meinem Leib (Gal 6,17), so als wollte er sagen: Niemand werfe mir weiterhin meine Sünde vor; denn darüber hinaus, daß ich mich in meinen Tränen reingewaschen habe, habe ich jetzt einen Beweis meiner Treue geliefert und mache durch meinen Tod den Fehler wieder gut, den ich aus Furcht vor dem Tod begangen habe.

Bevor ich schließe, will ich der Wißbegier jener gerecht werden, die fragen könnten, warum der hl. Petrus mit dem Kopf nach unten gekreuzigt werden wollte.

Der erste Grund dafür war die Demut. Der zweite Grund war, daß Unser Herr die Füße zur Erde gerichtet hatte, um zu zeigen, daß er vom Himmel auf die Erde gekommen ist; der hl. Petrus hatte die Füße himmelwärts gerichtet, um zu zeigen, daß er von der Erde in den Himmel ging. Außerdem hatte Unser Herr, als er starb, das Gesicht und die Augen stets auf die Erde gerichtet, um zu zeigen, daß er für seine Kirche nach seinem Tod nicht weniger Sorge trage als zuvor und daß er stets ihr Hirte sein wolle; der hl. Petrus wandte das Haupt gegen die Erde und die Augen zum Himmel, um zu zeigen, daß er sterbend sein Amt an seinen Nachfolger übergebe. So ist Unser Herr immer das Haupt der Kirche, nicht aber der hl. Petrus; Unser Herr hat seinen Stellvertreter, der hl. Petrus seinen Nachfolger.

Der hl. Petrus wandte außerdem das Haupt gegen die Erde, um zu zeigen, daß er wohl in den Himmel ging, aber seine Nachfolge dennoch auf Erden zurückließ, von der Unser Herr ihm gesagt hat: Du bist Petrus, und auf diesem Felsen will ich meine Kirche bauen. Stellt euch vor, daß nächst Christus der hl. Petrus das erste Fundament der Kirche ist; auf ihm sind dann seine Nachfolger nacheinander aufgebaut als Ecksteine, die miteinander das Bauwerk der Kirche tragen. Das ist der Prüfstein, mit dem man stets den Irrtum oder die Irrlehre erkennt; das ist der Quaderstein des Tempels Salomos. Es heißt (1 Kön 5,17), daß der König Steine für das Fundament suchen und sie viereckig behauen ließ. Als Unser Herr den heiligen Apostel erwählt hatte, um nächst ihm der erste Stein des Fundamentes der Kirche zu sein, ließ er ihn formen am Kreuz. Wie das mosaische Gesetz auf einen Stein geschrieben wurde, ebenso wurde auf diesen lebendigen Stein das Gesetz des Evangeliums geschrieben. Wenn ihr im Zweifel seid, wie das Gesetz des Evangeliums zu verstehen ist, dann geht zu diesem Felsen, um zu lernen, wie man glauben muß. Ich will mich nicht lange dabei aufhalten, das des langen und breiten zu beweisen, da ich mir als Gegenstand dieser Predigt nur den Tod des hl. Petrus vorgenommen habe. So will ich mich damit begnügen, euch für jetzt einen einzigen Grund vorzutragen, der aber grundlegend ist.

Die Kirche ist eine Monarchie; deshalb braucht sie ein sichtbares Oberhaupt, das sie als oberster Statthalter Unseres Herrn regiert. Wem sollten wir es sonst sagen und wie die Einheit des Glaubens wahren, da Unser Herr gesagt hat: Sag es der Kirche (Mt 18,17)? Und wenn jemand sich losreißen wollte, wer könnte ihn zum Schafstall zurückführen? Wie könnte man verhindern, daß es Spaltungen in der Kirche gibt? Wie anders sollte, wenn „die ganze Welt erstaunt ist, daß sie arianisch geworden ist“, wie der hl. Hieronymus sagt, die Welt bekehrt werden? Jedes Reich, das in sich uneins ist, wird verwüstet werden“ (Lk 11,17). Es ist also wahr, daß die Kirche einen obersten Statthalter braucht. Sehen wir nun, wer das sein kann. Gewiß kein anderer als der hl. Petrus und seine Nachfolger. Abgesehen von der allgemeinen Übereinstimmung aller Jahrhunderte, vor allem der ersten acht, wie aus der „Sichtbaren Monarchie“ von Sanders ersichtlich ist, gibt es einen gewichtigen Grund: Es gab nie einen Bischof, der gedacht hätte, er sei der oberste und allgemeine Hirte der ganzen Kirche, außer die Nachfolger des hl. Petrus; und man hat nie in Erwägung gezogen noch behauptet, daß es ein anderer sei. Außerdem gibt es jetzt keinen Bischof in der ganzen Christenheit, der sich diese Eigenschaft zuschriebe oder von dem man behauptete, er sei Oberhirte und Papst. Die Häretiker wollen kein Oberhaupt; deshalb sind sie auch in so viele Sekten gespalten. Die Katholiken anerkennen den Papst als den gemeinsamen Vater und das einzige sichtbare Oberhaupt der ganzen Kirche; die Schismatiker anerkennen ihn nicht. Was können wir also sagen? Niemand als die Nachfolger des hl. Petrus hat je in Anspruch genommen, es zu sein; niemand beansprucht es und von keinem hat man es je gedacht, außer vom Papst. Das ist eine der Wahrheiten, die man in der Kirche immer geglaubt hat. Andererseits muß es einen geben; also ist er es ohne Zweifel. Er ist es, von dem der hl. Hieronymus im Brief an Damasus spricht, wo er sagt: „Ich kenne Vitalis nicht; Meletius lehne ich ab; Paulinus anerkenne ich nicht. Wer nicht mit dir sammelt, der zerstreut (Mt 12,30); d. h., wer nicht zu Christus gehört, ist des Antichrist“ (Epist. XV, § 2).

Man könnte mich aber fragen, warum der hl. Petrus den Sitz des Stellvertreters Unseres Herrn nach Rom verlegte, da doch Unser Herr in Jerusalem gestorben ist. Die Begründung dafür ist leicht zu geben: Gott hatte die Absicht, die Heiden als sein Volk anzunehmen, indem er das undankbare Volk der Juden absetzte; nicht als ob er ihm die notwendigen Hilfen zu seinem Heil vorenthielte; er entzog ihm aber die Privilegien, die er ihm gewährt hatte, deren es sich unwürdig erwies. Ihr wißt doch, was die heiligen Apostel Paulus und Barnabas zu den Juden sagten: Euch mußte das Wort Gottes zuerst verkündet werden; weil ihr es aber zurückgewiesen habt, wenden wir uns an die Heiden (Apg 13,46). Und wißt ihr nicht, was Hosea sagte? Ich werde zu Nicht-mein-Volk sagen: Mein Volk bist du; und es wird sagen: Mein Gott bist du (Hos 2,24). Davon spricht der hl. Paulus im 9. Kapitel seines Briefes an die Römer. Unser Herr ist also in Jerusalem gestorben, damit von Zion das Gesetz und von Jerusalem das Wort Gottes (Mi 4,2) ausgehe, weil es die Hauptstadt von Judäa war. Ebenso wollte er den Sitz seiner Kirche nach Rom, der Hauptstadt des Heidentums verlegen, um zu Nicht-mein-Volk zu sagen: Mein Volk bist du. Der hl. Petrus ist also in Rom gestorben, nicht als der erste Grundstein, sondern der zweite. Unser Herr ist ja der große erste grundlegende Eckstein, nicht nur der streitenden Kirche, sondern auch der triumphierenden. Der hl. Petrus ist als Grundstein auf den ersten gegründet, und nur für die streitende Kirche: ein fester Stein, ein sicherer Fels im Meer dieser Welt; je mehr er bestürmt wird, um so weniger rückt er von seiner Stelle.

Damit ist genug über den Tod des hl. Petrus gesagt. Was kann ich euch als Anwendung mitgeben? Als erstes fordere ich euch auf, Gott dafür zu danken, daß er uns einen solchen Fels gegeben hat, so daß wir nie untergehen, wenn wir uns auf ihn stützen. Als zweites wünsche ich zur Erneuerung unseres Geistes, daß wir einfach und fest seien im Glauben, den uns die heilige Kirche lehrt, und fest glauben, was auf diesem Stein geschrieben steht; ich habe euch ja gesagt, daß auf ihm das Gesetz des Evangeliums geschrieben ist. Glauben wir also einfach, unterwerfen wir unseren Verstand dem Glauben, den Unser Herr auf diesen Fels gegründet hat, denn die Pforten der Hölle werden sie nicht überwältigen (Mt 16,18). Christus bat für Petrus, daß sein Glaube nicht wanke (Lk 22,32); das Haupt der Kirche ist die Säule und Grundfeste der Wahrheit, wie der hl. Paulus (1 Tim 3,15) sagt.

Selig, wer seine Kindlein an den Felsen schmettert (Ps 137,9), sagt der Psalmist. Was sollt ihr tun, wenn irgendwelche Vorstellungen in Glaubensfragen kommen, bestimmte Einwände, Einbildungen und Gedanken des Unglaubens? Wenn ihr sie in euren Geist einlaßt, werden sie euch verwirren und den Frieden rauben. Zerschlagt diese Gedanken und Vorstellungen, zerschmettert sie an diesem Felsen der Kirche und sagt zu eurem Verstand: Ach, mein Verstand, Gott hat dir nicht aufgetragen, dich selbst zu nähren; das ist Sache dieses Felsens und seiner Nachfolger; deshalb selig der Mann, der seine Kindlein an den Felsen schmettert.

Die Schriftsteller, die über die Natur der Tiere geschrieben haben, sagen, der Adler habe einen so scharfen Schnabel und er wachse so stark, daß er ihn hindert, seine Nahrung aufzunehmen. Sie versichern, daß er nie stirbt, außer weil sein Schnabel zu lang und zu krumm ist. So, scheint mir, machen es manche, die nur einen zu lebhaften Geist aber nicht genügend Urteilsfähigkeit haben; sie wollen trotzdem alles wissen, alles kritisieren, vor allem theologische Fragen; denn die Theologie ist das einzige, sagt der hl. Hieronymus, worin jeder sich einmischen will. Die Spitze ihres Geistes ist zu lang, daher können sie die Nahrung des Glaubens nicht aufnehmen, wie es sich gehört. Aber was hilft dagegen? Sie müssen tun, was der Adler nach den Worten des hl. Augustinus tut: er bricht die Spitze seines Schnabels ab, indem er ihn gegen den Felsen schlägt. Wenn er dann von diesem Hindernis befreit ist, kann er wieder besser fressen. So möchte ich auch jenen raten, die etwas zu wissen meinen und gestützt auf diese Einbildung die Spitze und Lebhaftigkeit ihres Geistes durch eine bestimmte menschliche Denkweise so weit wachsen lassen, daß sie infolge einer gewissen Selbstüberhebung die gesunde Lehre der Kirche nicht mehr annehmen wollen: sie sollen ihr Räsonieren an diesem Felsen brechen: Selig, wer seine Kindlein an den Felsen schmettert. Beachtet, daß der Psalmist nicht einfach Kindlein sagt, sondern seine Kindlein. Warum? Weil die Gedanken des Unglaubens von uns kommen, die Gedanken des Glaubens von Gott. Wir sind unfähig, etwas von uns aus zu denken, als käme es von uns, sondern all unser Können kommt von Gott (2 Kor 3,5). Beachten wir diese Gedanken gegen den Glauben niemals; sie kommen nicht von Gott und sind nicht gegründet auf dem Felsen der katholischen Kirche. Brechen wir sie vielmehr, schlagen wir ihre Spitze gegen diesen Felsen, d. h. mit der Autorität der Kirche.

Aber außer diesen Gedanken, die Kinder des Verstandes sind, von denen der Psalmist spricht, gibt es andere Kinder des Willens; das sind unsere Sünden, von denen ich ebenfalls sage: Selig, wer seine Kindlein an den Felsen schmettert; denn Gott hat diesem Fels die Macht gegeben, die Sünden nachzulassen und zu tilgen (Mt 16,19). Wenn man zum Priester kommt, um sie zu beichten, was ist das anderes, als diese Kinder des Willens zum Felsen bringen? Und beachtet noch, meine lieben Zuhörer, daß er sagt: seine Kinder, um zu zeigen, daß man mit der Beichte nicht warten darf, bis unsere Sünden alt geworden sind; denn wenn sie alt geworden sind, ist es sehr schwierig, sie gut zu bekennen, und noch mehr, sie zu bessern! Weil ich schwieg, sind meine Gebeine alt geworden, sagt David (Ps 32,3). Zerbrechen wir unsere Sünden zu Beginn an diesem Felsen. Ich weiß, daß ihr alle sehnlichst den Frieden wünscht. Deshalb will ich euch mit dem königlichen Propheten sagen: Wenn ihr ihn erlangen wollt, dann wendet euch an Gott mit Bitten und Gebeten: Erfleht, was Jerusalem zum Frieden dient (Ps 122,6). Liebt ihn von ganzem Herzen, dient ihm treu, meidet sorgsam alles, was ihn beleidigen kann. Auf diese Weise werdet ihr den Frieden erlangen, denn es heißt: Reicher Friede denen, die das Gesetz Gottes lieben, und nichts gibt ihnen Anstoß (Ps 119,165). Da nun niemand so heilig ist, daß er nicht manchmal gegen das Gebot Gottes verstieße, bekennen wir wenigstens, daß wir dieses Gebot lieben, indem wir Gott um Vergebung bitten und unsere Sünden durch die Beichte und Buße zu Füßen des Priesters tilgen wie an einem Stein, der auf dem Felsen des Glaubens gegründet ist: Selig, wer seine Kindlein an den Felsen schmettert.

Schließlich wünschte ich, daß wir alle nach dem Beispiel des hl. Petrus gekreuzigt wären. Der Krieg, die Armut und die übrigen Nöte kreuzigen uns, das ist wahr; aber sie kreuzigen uns wie den linken Schächer, nicht wie den hl. Petrus; d. h. statt aus diesen Übeln Nutzen zu ziehen, werden wir durch sie schlechter. Ach, der hl. Petrus wurde am Kreuz Christi gekreuzigt. Es genügt nicht, sein Kreuz auf sich zu nehmen, man muß auch Unserem Herrn nachfolgen, denn nachdem er gesagt hat: Er nehme sein Kreuz auf sich, fügt er hinzu: und folge mir nach (Mt 16,24). Dann wird das Kreuz uns süß werden, dann werden wir das Leben finden im Tod und Tröstungen in Widerwärtigkeiten.

Als Elija vor der Verfolgung Isebels floh, einen Tag gewandert war und sich unter einem Ginsterstrauch befand, heißt es: Er wünschte seiner Seele, daß er sterbe, und sagte: Es ist genug für mich, Herr: nimm meine Seele (1 Kön 19,4). Wie zufrieden, meine ich, war der hl. Petrus am Kreuz, daß er das Gebot des Herrn, ihm zu folgen, erfüllt sah; da sah er sein Verlangen erfüllt. Als Unser Herr ihm begegnete und ihm sagte, daß er gekreuzigt werden soll, da kehrte er auch sogleich in die Stadt zurück, beseelt von dem großen Verlangen, im Schatten des heiligen Kreuzesbaumes zu sein. Er sagt nichts zu seinem göttlichen Meister und hält sich nicht damit auf, mehr mit ihm zu sprechen, sondern kehrt im selben Augenblick zurück. Doch meint ihr nicht, daß er damals mit der Braut im Hohelied (2,3) sagte: Im Schatten dessen, nach dem ich mich sehnte, sitze ich, und seine Frucht ist süß? Was ist diese Frucht? Das ist das ewige Leben. Da also all sein Sehnen erfüllt war, glaube ich, wiederholte er auch wie Elija: Es ist genug für mich, Herr: nimm meine Seele. Es heißt, daß der hl. Andreas, sein Bruder, zwei Tage lebendig am Kreuz hing, das Volk belehrte und wohl zeigte, daß dieses Holz der Baum des Lebens ist und daß an diesem Baum der Tod überwunden wurde. So, glaube ich, hat der hl. Petrus nach dem Beispiel des Elija Unseren Herrn gebeten, daß er seine Seele aufnehme: Er wünschte seiner Seele, daß er sterbe. So könnten auch wir sterben, meine lieben Zuhörer, an das Kreuz Unseres Herrn geheftet, um Jenem in das ewige Leben zu folgen, dem wir in den Tod folgen werden. Wer gibt mir Flügel gleich einer Taube? (Ps 55,7).

Glorreicher Apostel, erwirke uns die Gnade, daß wir unseren Glauben stets auf die Kirche stützen. Da sie nächst Unserem Herrn auf dir als einem sicheren Felsen gegründet ist, ist sie die echte Säule und Grundfeste der Wahrheit. Ich lege dir stets zu Füßen, was ich je auf der Kanzel und außerhalb von ihr sagen werde. Du bist ja dieser Fels, auf dem die Kirche Jesu Christi gegründet ist; ihm sei Ehre und Herrlichkeit in alle Ewigkeit. Amen.


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