Zum 2. Sonntag nach Epiphanie

Annecy, 17. Januar 1621 (OEA IX,1-17; DASal 9,376-389)

Heute lesen wir in der Messe zwei Evangelien: das eine von den Bekennern (Lk 12,35-40), das andere vom ersten Wunder, das Unser Herr bei der Hochzeit zu Kana in Galiläa wirkte (Joh 2,1-11); über dieses will ich in der kleinen Predigt sprechen. Über den hl. Antonius zu sprechen, würde sich nämlich nicht gut machen, denn über ihn wurde in der großen Predigt hervorragend gesprochen, in der fast alles gesagt wurde, was man über ihn sagen kann. Ich werde mich also auf das zweite beschränken, wo des ersten Wunders oder nach dem hl. Johannes des ersten Zeichens gedacht wird, das Unser Herr wirkte, um seine Herrlichkeit zu offenbaren. Wir werden vor allem die Ursache des Wunders sehen, d. h. wie es gewirkt wurde, an zweiter Stelle, durch wen es gewirkt wurde und welche Menschen sich dabei eingeschaltet haben. Der Evangelist erklärt, daß dies das erste Zeichen war, das Jesus wirkte, um seine Herrlichkeit zu offenbaren. Ich weiß indes gar wohl, daß einige Theologen Gründe und Gegengründe vorbringen, um zu zeigen, daß dieses Wunder nicht das erste gewesen sei, das Unser Herr wirkte. Aber nicht nur der hl. Johannes bestätigt das, sondern auch der hl. Ambrosius; und die Mehrzahl der alten Kirchenväter hält an dieser Meinung fest. Deshalb halten wir uns an sie und folgen ihr. Um nun die Auffassung des hl. Ambrosius und der anderen Kirchenväter besser einzuführen, wollen wir vor allem zwei Schwierigkeiten ausräumen, die ihre Meinung weniger annehmbar machten; hernach werden wir eine Erwägung zur Festigung unseres Glaubens anstellen.

Sagen wir zunächst, daß dieses Wunder das erste Zeichen war, das der Heiland selbst gab, um seine Herrlichkeit zu offenbaren. Es ist wahr, daß einige Wunderwerke vor diesem geschahen, die einen durch Unseren Herrn, andere an Unserem Herrn, die übrigen vor der Ankunft Unseres Herrn, wie jenes der Menschwerdung, die das größte von allen und das Wunder der Wunder ist. Aber dieses Wunder war unsichtbar, geheim und verborgen; sie war ein so erhabenes Werk, daß es unendlich alles überragt, was die Engel und Erzengel davon begreifen können. Folglich war sie kein Zeichen, das die Herrlichkeit Gottes offenbarte wie jenes, das bei der Hochzeit zu Kana in Galiläa geschah, wie der Evangelist sagt. Das überaus erhabene Geheimnis der Menschwerdung ist so tief, daß es dem Geist der Heiden und alten Philosophen nicht einging und nicht eingehen konnte. Ja selbst die Lehrer des mosaischen Gesetzes, die doch mit der Heiligen Schrift vertraut waren, vermochten es nicht zu begreifen, weil es unsichtbar und so erhaben war, daß es jeden Verstand der Menschen und Engel übersteigt. Wir glauben zwar in diesem sterblichen Leben daran, weil es der Glaube uns lehrt, im Himmel aber werden wir es sehen, und das wird ein Teil unserer ewigen Glückseligkeit sein. In der Menschwerdung ereigneten sich noch andere Wunder; deren größtes ist, daß das göttliche Wort von einer Frau empfangen und geboren wurde und daß diese Frau zugleich Jungfrau und Mutter war. Die Geburt des Erlösers begleiteten mehrere Wunder, so das Erscheinen des Sterns, der die Magier des Orients führte (Mt 2,1f). Aber obwohl diese Zeichen geschahen, um die Herrlichkeit Unseres Herrn zu offenbaren, war nicht er es, der sie wirkte, sondern der Vater und der Heilige Geist wirkten sie für ihn. Ich weiß wohl, daß er sie wirkte, insofern er Gott ist; denn was der Vater tut, bewirken ebenso der Sohn und der Heilige Geist; aber das Wunder von Kana wirkt der Sohn im besonderen.

Zweitens muß erklärt werden, was die alten Väter vorbringen, daß nämlich unser göttlicher Heiland mehrere Wunder wirkte, während er in Ägypten weilte, und selbst im Haus seiner Eltern (das ist glaubwürdig, denn verschiedene Geschichten sind davon voll). Die waren aber sehr geheim und unsichtbar, weil Unser Herr zu der Zeit nicht bekannt war. Wenn er auch deren eine große Zahl wirkte, war doch das Zeichen von Kana in Galiläa, von dem der Evangelist berichtete, wirklich das erste, das geschah, um seine Herrlichkeit zu offenbaren.

Welche Erwägung aber können wir davon ableiten zur Stärkung unseres Glaubens? Seht, dieses erste Wunder geschah durch die Verwandlung des Wassers in Wein, genau wie das letzte Wunder, das Jesus Christus in seinem Erdenleben wirkte, die Verwandlung des Weins in sein Blut im allerheiligsten Sakrament der Eucharistie war. Wir, die das Wort Gottes verkünden, sind nun verpflichtet, euch zu jedem Geheimnis zu sagen, was zur Festigung unseres Glaubens dienen kann, wenn sich die Gelegenheit dazu bietet, wie hier über das der Eucharistie. Dies nicht, um euch zu belehren, denn ihr glaubt daran hinreichend; nicht um euren Glauben zu stärken oder zu bestätigen, denn ihr würdet sterben, um an dieser Wahrheit festzuhalten, sondern um euer Herz zu erfreuen und eine gewisse Wonne in ihm zu bewirken, die man empfindet, wenn man von diesem großen Geheimnis spricht. Unser Herr ist der Erste, das Alpha und Omega, d. h. der Anfang und das Ende aller Dinge. Wenn deshalb die Ägypter die Gottheit darstel-len und irgendwie begreiflich machen wollten, malten sie eine Schlange, die sich in den Schwanz beißt. Dadurch bildete sie einen Kreis und man konnte an ihr keinen Anfang und kein Ende sehen; ihr Kopf, der den Anfang bildet, berührt das Ende, den Schwanz. So ist Unser Herr von aller Ewigkeit der Anfang aller Dinge und wird in alle Ewigkeit ihr Ziel sein. Beachtet, wie er stets sowohl den Anfang als das Ende machte, und die wunderbare Beziehung, die zwischen den beiden besteht. Als Gott den Adam erschuf, gab er das erste Zeichen dieser Schöpfung, indem er den Lehm der Erde in den Leib des Menschen verwandelte. Als Jesus Christus ihn wiederherstellte, war ebenso das erste Zeichen dieser Neuschöpfung die Verwandlung einer Substanz in eine andere, die Verwandlung des Wassers in Wein. Der Erlöser kam ja, um den Menschen wiederherzustellen, denn er war verloren. ch bin gekommen, sagt er, um einen neuen Menschen zu schaffen. Der Mensch war ja durch die Sünde so zugerichtet, daß nicht mehr zu erkennen war, was er bei seiner Erschaffung gewesen ist. Als daher Unser Herr kam, um ihn zu erneuern, begann diese Neuschöpfung so, wie er die Erschaffung vollzogen hatte. Beachtet in der Tat die wunderbare Beziehung. Wie wir bereits angedeutet haben, hat Gott bei der Erschaffung des Menschen die Erde in menschliches Fleisch verwandelt und eine wundervolle Umwandlung bewirkt. Denn nachdem er gesagt hatte: Laßt uns den Menschen machen nach unserem Bild und Gleichnis, nahm er Ton und formte daraus einen Leib, der nun nichts anderes war als ein Erdklumpen. Dann hauchte er diesen Leib an, und da wurde diese Masse in Fleisch und Blut verwandelt, d. h. es wurde ein lebendiger Mensch daraus (Gen 1,26f; 2,7). So begann Unser Herr auch bei der Neuschöpfung mit der Verwandlung des Wassers in Wein, indem er ein Zeichen gab, um seine Herrlichkeit zu offenbaren.

Diese Beziehung zeigte er stets in all seinen Werken. Wenn wir ihn nämlich seit seinem Eintritt in diese Welt beobachten, werden wir sehen, daß er ganz nackt aus dem Schoß seiner Mutter hervorging. Nach den Offenbarungen der hl. Birgitta sah ihn die allerseligste Jungfrau so vor ihren Augen, als sie die hochgebenedeite Frucht ohne Mühe und ohne Beeinträchtigung ihrer Jungfräulichkeit geboren hatte. Sie war in einer sanften, liebevollen und süßen Beschauung, als der Erlöser, ohne daß sie es wahrnahm, aus ihrem Schoß hervorging. Als sie aber zu sich kam, sah sie ihn ganz nackt, sie nahm ihn und wickelte ihn in Windeln und kleine Tücher. Er wollte die Welt verlassen, wie er in sie gekommen war; er starb ganz nackt am Stamm des Kreuzes. Nach seinem Tod wurde er abgenommen, dann ließ er sich in Tücher einhüllen, wie er es bei seiner Geburt getan hatte. Er kam weinend zur Welt wie die übrigen Kinder, die alle so ankommen; denn man hat nie eines von ihnen gesehen, das nicht weinend geboren wäre, außer Zoroaster, ein sehr böser Mensch, „der bei seiner Geburt zu lachen begann“ (Plinius). Unser Herr aber wurde nicht lachend geboren, sondern weinend und seufzend, wie eine Stelle der Heiligen Schrift bestätigt, die man gut auf ihn anwenden kann, obwohl diese Stelle Salomo betrifft, der von sich sagt: Obwohl ein großer und bewundernswerter König, bin ich doch weinend und seufzend auf Erden geboren wie die anderen Kinder (Weish 7,3). Ebenso wollte unser wahrer Salomo, obwohl er als erhabener König auf Erden geboren wurde, weinend geboren werden; folglich ist er auch weinend gestorben.

Er wollte das Evangelium einleiten durch dieses erste Wunder der Verwandlung und Umwandlung des Wassers in Wein; er wollte auch seine Predigten beschließen mit der Verwandlung von Wein in Blut. Er hat das erste Wunder bei einem Festmahl gewirkt; er wirkte das letzte, das der Eucharistie bei einem anderen Mahl. Er verwandelte das Wasser in Wein bei der Hochzeit zu Kana in Galiläa; beim letzten Abendmahl, das wie die Hochzeit dieses heiligen Bräutigams war, verwandelte er das Brot in seinen Leib und den Wein in sein Blut. Auf diese Weise begann er mit dieser Verwandlung seine Hochzeit zu feiern, die er am Stamm des Kreuzes vollendet hat, denn der Tod des Erlösers war sein Hochzeitstag (vgl. Hld 3,11).

Mit einem Wort, sein erstes Wunder war die Verwandlung des Wassers in Wein, das letzte, das er vor seinem Tod wirkte, war die Einsetzung der Eucharistie, in der er wahrhaft und wirklich gegenwärtig ist. Wir glauben an diese Wahrheit und an dieses Geheimnis, das mit dem der Menschwerdung das größte und dunkelste ist. Weil es der Glaube uns lehrt, glauben wir indes, daß Jesus im allerheiligsten Sakrament mit Leib und Seele enthalten ist. Der Apostel sagt (1 Kor 10,16; 11,24-27), daß der Christ genährt wird mit dem lebendigen Fleisch und dem Blut des lebendigen Gottes; und das ist wahr. Und obwohl diese Wahrheit unseren Sinnen widerstreitet, die nichts sehen können, glauben wir dennoch daran und sogar mit um so mehr innerer Freude, je weniger unsere Sinne davon erkennen können. Da die göttliche Vorsehung sah, wie dunkel dieses heilige Geheimnis der Eucharistie ist, hat sie uns abertausend Beweise für diese Wahrheit gegeben an aberhundert Stellen sowohl des Evangeliums als des Alten Testamentes. Unser Herr selbst hat davon so viele Erleuchtungen und Einsichten gegeben, daß es bewundernswert ist, was viele über diesen Gegenstand geschrieben haben, die ihn so klar und verständlich behandeln, daß man ganz hingerissen ist, wenn man es hört und liest. Gewiß, wir müßten dieses göttliche Sakrament jeden Tag hunderttausendmal anbeten als Dank für die Liebe, mit der Gott unter uns weilt. Das ist die Erwägung, die wir zur Stärkung unseres Glaubens machen müssen.

Sehen wir nun, wie dieses Wunder gewirkt wurde. Dazu will ich euch den ganzen Bericht des Evangeliums wiedergeben. Zu Kana in Galiläa fand eine Hochzeit statt, sagt der hl. Johannes. Das war ein kleines Städtchen nahe bei Nazaret, wo die Verwandten der seligsten Jungfrau und folglich auch Unseres Herrn wohnten. Man feierte also eine Hochzeit, und der Heiland und seine Mutter waren dazu eingeladen. Einige Theologen gefallen sich im Disput darüber, ob die Apostel eingeladen waren oder nicht. Es ist eine köstliche Sache um die verschiedenen Meinungen, die es darüber gibt; aber lassen wir ihnen ihre Gründe und halten wir uns daran, was der Evangelist sagt. Einige frühere Kirchenväter glauben übrigens, da Unser Herr und seine allerseligste Mutter eingeladen waren, seien auch die Apostel eingeladen gewesen. Der hl. Johannes sagt ganz klar: und seine Jünger; daran müssen wir uns halten. Man diskutiert darüber, ob das die Hochzeit des hl. Johannes war oder die eines anderen; aber lassen wir das, es ist unwichtig. Soviel steht fest, daß unser teurer Meister und Unsere liebe Frau eingeladen waren. Sie gingen hin; aber wie? Es ist gewiß glaubwürdig, daß die heilige Jungfrau am Vortag hinging, denn wenn eine Hochzeit gefeiert wird, kommen die Frauen und die Verwandten nicht am Tag selbst, sondern schon am Vortag, und nicht nur, um empfangen zu werden, sondern auch um die anderen Geladenen empfangen zu helfen und auf diese Weise der Braut Ehre zu erweisen. Man kann nun annehmen, daß die heilige Frau, die sehr demütig war, schon am Vortag hinging, um dem Bräutigam und der Braut diesen schönen Dienst zu erweisen.

Die Apostel gingen also zur Hochzeit; und da Unser Herr eingeladen war, lehnte er es nicht ab, sich dabei einzufinden; denn seht, er war gekommen, um den Menschen loszukaufen, zu erneuern und neu zu schaffen. Um das zu tun, wollte er nicht eine würdevolle, strenge und steife Haltung annehmen, sondern vielmehr eine ganz sanfte, umgängliche und höfliche Umgangsform. Als er daher eingeladen wurde, entschuldigte er sich nicht, sondern ging hin und unterdrückte dadurch wirksam den Leichtsinn und die Ausschweifungen, die sich bei solchen Gelegenheiten gewöhnlich ergeben. Gewiß, die Hochzeiten, an denen Unser Herr und Unsere liebe Frau teilnehmen, sind sehr geordnet und man wahrt eine große Bescheidenheit. Aber die Hochzeiten dieser Zeit hier sind voller Ausschweifungen und erfüllt von Schwindeleien, denn wie viele Lügen sagt man, wenn man eine Tochter verheiraten will! Sie ist so und so, sie erbt so viel; dieser junge Mann hat alle diese Voraussetzungen und Eigenschaften. Und auf das hin schließt man die Ehe, und wenn es geschehen ist, findet man, daß es nicht so ist, wie man gesagt hat. Dann kommen die Reue und die Vorwürfe von der einen und der anderen Seite, aber es ist zu spät, denn nun ist es geschehen. Bei der Hochzeit von Kana war es nicht so, denn wo Unser Herr ist, kann sich keine Lüge finden. Was meint ihr, wie sittsam diese Hochzeit war! Ohne Zweifel bewirkte die Anwesenheit des Heilands, daß man sich sehr zurückhielt.

Ich weiß nicht, wie es kam; jedenfalls ging der Wein aus. Die Diener waren darüber etwas erschrocken und aufgeregt, und als sie sahen, daß die Flaschen leer wurden, begannen sie untereinander darüber zu reden, während sie den Wein eingossen. Vielleicht kam es auf diese Weise den Frauen zu Ohren; die waren untereinander uneinig, was man tun müßte. Die allerseligste Jungfrau, ganz weise, klug und erfüllt von großer Liebe, fand einen bewundernswerten Ausweg, durch den sie dieser Verlegenheit abhalf. Aber was will die heilige Frau tun? Sie hat ja kein Geld, um Wein kaufen zu lassen. Ihr Sohn hat ebenso wie sie keines. Worauf beruht also ihre Hoffnung, dieser Not abzuhelfen? Sie wußte gewiß, daß sie Ihn mitgebracht hat, der allmächtig ist und dessen große Liebe und Barmherzigkeit sie kannte; durch sie würde er unfehlbar der Notlage dieser armen Leute abhelfen. Es ist in der Tat glaubwürdig, da es die Hochzeit armer Leute war; deshalb wurde Unser Herr dazu eingeladen. Das ist wahr, denn er verkehrte und ging so gern mit den Armen um, daß er sie stets bevorzugte. Er war gewöhnlich bei ihnen. Er liebte die Armut überaus, selbst in den Palästen der Könige, und fand einmaliges Gefallen daran, sich dort aufzuhalten, wo die Armut herrscht. Wenn der teure Erlöser unserer Seelen Gefallen daran hat, der Armut in den Häusern der Großen und bei Hochzeiten zu begegnen, wie groß wird seine Befriedigung sein, sie in den Klöstern zu sehen, wo man das Gelübde macht, sie zu beobachten! Wie wird es ihm gefallen, hier Mangel im Überfluß zu sehen; ich will sagen, nicht Mangel am Notwendigen, daß man hier aber trotzdem des Überflusses entbehrt. Das sei gesagt als ein kleines Wort der Unterweisung, die ich euch nebenbei gebe.

Die seligste Jungfrau kam also zu ihrem Sohn, der allein ohne Geld dieser Notlage abhelfen konnte. Achtet ein wenig darauf, was die allerseligste Jungfrau tut und sagt: Mein Herr, sie haben keinen Wein, als wollte sie sagen: Mein Herr und mein Sohn, diese Leute sind arm; und obwohl die Armut sehr liebenswert und dir sehr wohlgefällig ist, so ist sie an sich doch sehr beschämend, denn sie bringt den Armen oft arge Verachtung und Verlegenheit vor der Welt. Diese guten Leute, die dich eingeladen haben, werden in große Schande geraten, wenn du ihnen nicht zu Hilfe kommst. Ich weiß aber, du bist allmächtig, du hast ihre Notlage vorausgesehen und wirst verhindern, daß sie in solche Schande und Verachtung fallen. Außerdem zweifle ich nicht an deiner Liebe und deinem Erbarmen. Erinnere dich an die Gastfreundschaft, die sie uns durch die Einladung zu ihrem Fest erwiesen haben, und verschaffe ihnen bitte, was ihnen fehlt.

Die heilige Jungfrau brauchte indes keine so lange Rede zu halten, um ihrem Sohn die Notlage dieser Hochzeit zu schildern. Sehr klug und erfahren in der rechten Weise zu beten, bediente sie sich außerdem der kürzesten aber erhabensten und vorzüglichsten Form des Gebetes, die es gibt und geben kann, indem sie nur die paar Worte sagte: Mein Sohn und mein Herr, sie haben keinen Wein. Die heilige Jungfrau wollte damit sagen: Du bist so gütig und so liebevoll, du hast ein Herz so mild und voll Erbarmen; bitte, laß dich also herab zu tun, um was ich dich für die armen Leute bitte. Gewiß, ein ausgezeichnetes Gebet, in dem die heilige Frau zu Unserem Herrn mit der größten Ehrfurcht und Demut spricht, die man sich vorstellen kann; sie wendet sich nämlich an ihren Sohn nicht mit Selbstvertrauen, noch mit Worten voll Anmaßung, wie es viele unbescheidene und anmaßende Menschen tun; vielmehr stellt sie ihm mit tiefster Demut die Notlage dieser Hochzeit vor und hält es für sicher, daß er ihr abhelfen wird, wie wir gleich sehen werden.

Es ist also ein sehr gutes Gebet, sich damit zu begnügen, Unserem Herrn seine Nöte vorzustellen, sie ihm vor Augen zu halten und ihn machen zu lassen, in der Überzeugung, daß er uns entsprechend unseren Bedürfnissen erhören wird, indem man ihm, wenn man sich trokken, trostlos und mutlos fühlt, nach dem Beispiel der seligsten Jungfrau sagt: Herr, sieh mich arme Tochter, wie verzagt, bekümmert, voll Trockenheit und Dürre ich bin. Herr, sieh mich armen Menschen, den ärmsten von allen Menschen und voll Sünde. Aber um was bittest du? Ach, um was bitte ich? Du weißt wohl, wessen ich bedarf. Es genügt mir, dir zu zeigen, was ich bin; es ist an dir, meinem Elend und meinen Nöten so abzuhelfen, wie es dir gefallen wird.

Ich weiß dennoch gut, daß man Gott nicht nur um Geistliches bitten kann, sondern auch um Zeitliches. Es gibt keinen Zweifel, daß mandas kann und darf, weil es Unser Herr selbst uns gelehrt hat. Im Gebet des Herrn, das wir jeden Tag sprechen, bitten wir zuerst, daß das Reich Gottes zu uns komme, als Ziel und Ende, nach dem wir ausschauen; dann, daß sein Wille geschehe, als das einzige Mittel, um uns zu dieser Seligkeit zu führen; darüber hinaus aber stellen wir noch eine andere Bitte, nämlich, daß er uns unser tägliches Brot gebe (Mt 6,9-13; Lk 11,2-4). Die heilige Kirche hat sogar besondere Gebete, um von Gott zeitliche Güter zu erbitten, denn sie hat eigene Gebete, um in Kriegszeiten den Frieden zu erbitten, in Zeiten der Trockenheit den Regen und in übermäßig langen Regenzeiten schönes Wetter; ja es gibt sogar eigene Messen für Zeiten der Pest. Dadurch werden wir belehrt: es gibt keinen Zweifel und keine Schwierigkeit, daß man in seinen geistlichen und zeitlichen Nöten bei Gott Hilfe suchen kann und darf.

Es gibt zwei Arten, Gott darum zu bitten: die eine in der Weise, wie es die seligste Jungfrau tat, die andere, ihn zu bitten, daß er uns dies oder jenes gebe oder daß er uns von einem bestimmten Übel befreie, jedesmal unter der Bedingung, daß dabei sein Wille geschehe, nicht der unsere (Lk 22,42). Doch gewöhnlich bitten wir nicht so. Ihr seht einen Menschen ganz in Andacht versunken, der in all seinen Gebeten um große Wonnen bittet. Was begehrst du, meine liebe Tochter? Ich bitte um Tröstungen. Ja, das ist gut. Aber ich bitte auch um die Demut, denn ich bin nicht demütig, sehe aber trotzdem, daß man ohne diese Tugend nichts zu tun vermag. Ich bitte auch um die Gottesliebe, die alles so mild und leicht macht. Man tut gut, um die Demut zu bitten, denn sie muß unsere teure Tugend sein. Es ist eine gute Sache, um die göttliche Liebe zu bitten und sich nach ihr zu sehnen. Trotzdem sage ich euch, daß eure Bitte um die Demut und die Liebe nicht gut ist. Seht ihr denn nicht, daß ihr nicht die Demut ersehnt, sondern das Gefühl der Demut? Ihr wollt wissen und fühlen, daß ihr demütig seid, ob ihr die Demut habt. Nun, das darf man nicht tun, denn um diese Tugend zu besitzen, ist es nicht erforderlich, daß man das Gefühl der Demut hat. Im Gegenteil, die sie wirklich besitzen, sehen und wissen nicht, daß sie demütig sind. Ebenso ist es, um Gott zu lieben, nicht notwendig zu fühlen, daß man ihn liebt. Die Liebe zu ihm besteht ja nicht darin, daß man seine Güte fühlt. Ihr könnt also demütig sein und Gott lieben, ohne es zu fühlen.

O, ich möchte ihn lieben wie eine hl. Katharina von Siena, wie eine hl. Theresia. Ihr täuscht euch; sagt lieber: Ich möchte die Ekstasen, die Gefühle der Liebe und der Demut einer hl. Theresia, einer hl. Katharina von Siena haben; denn es ist nicht die Liebe, die ihr begehrt,sondern das Empfinden der Süßigkeit dieser Liebe. Es ist nur das Fehlen des Gefühls, worüber wir uns beklagen, denn wir wollen alles kosten und schmecken. O Gott, wartet ein wenig, meine Lieben; wartet, bis ihr im Himmel seid, dort werdet ihr erkennen, ob ihr die Demut habt, und werdet euch ihrer Süßigkeit erfreuen. Dann werdet ihr sehen, wie ihr Gott liebt, und die Wonne seiner Liebe verkosten. In diesem Leben aber will der Herr, daß wir zwischen Furcht und Hoffnung leben, daß wir demütig sind und ihn lieben, ohne es zu wissen.

Wenden wir uns wieder der seligsten Jungfrau zu. Mein Herr, sagte sie, sie haben keinen Wein. Als der Heiland das hörte, sagte er zu ihr: Frau, was hast du mit mir zu tun? Meine Stunde ist noch nicht gekommen. Diese Antwort erscheint auf den ersten Blick recht schroff. Einen solchen Sohn zu einer solchen Mutter so sprechen zu hören, das hat den Anschein, daß ein so freundlicher und gütiger Sohn eine Bitte abschlägt, die mit solcher Ehrfurcht und Demut ausgesprochen wurde. Welche Worte sind das zwischen dem Sohn und der Mutter, zwischen den zwei am meisten liebenden und liebenswürdigen Herzen, die es je gab! Was hast du mit mir zu schaffen, Frau? Ach, Herr, was hat das Geschöpf mit dem Schöpfer zu tun, von dem es das Sein und das Leben erhält? Was hat die Mutter mit ihrem Sohn zu tun, was hat der Sohn mit der Mutter zu schaffen, von der er den Leib erhalten hat, d. h. die menschliche Natur, Fleisch und Blut? Diese Worte scheinen recht befremdend zu sein, und in der Tat wurden sie von Unwissenden falsch verstanden, die sie erklären wollten, und führten zu drei oder vier Irrlehren. Gott, wer wollte aber so kühn sein, hier die Spitze seines Geistes ansetzen zu wollen, so scharf und spitzfindig er sein mag, um deren wahren Sinn zu erkennen, ohne dafür das Licht von oben empfangen zu haben? Diese Antwort war ganz liebevoll, und die heilige Jungfrau, die sie richtig verstand, fühlte sich dadurch als die am meisten geehrte Mutter, die es gab. Das wird daraus sichtbar, daß ihr Herz nach dieser Antwort ganz von heiligem Vertrauen erfüllt blieb und sie zu den Dienern sagte: Ihr habt gehört, was mein Sohn mir geantwortet hat. Ihr versteht die Sprache der Liebe nicht, deshalb könnten euch Zweifel kommen, daß er mich abgewiesen habe. O nein, habt keine Angst, tut nur, was er euch sagen wird, und macht euch um nichts Sorgen, denn er wird gewiß nach eurem Bedarf Abhilfe schaffen.

Unter den Theologen gibt es sehr verschiedene Meinungen über diese Worte Unseres Herrn: Frau, was hast du mit mir zu schaffen? Einige sagen, er wollte ausdrücken: was haben wir beide, du und ich, damit zu tun, uns da einzumischen? Wir sind nur Gäste, wir brauchen also nicht für das zu sorgen, was fehlt; und mehrere ähnliche Auslegungen. Aber bleiben wir fest bei dem, woran die Mehrzahl der Kirchenväter festhält, daß nämlich der Erlöser seiner heiligen Mutter antwortete: Was habe ich mit dir zu schaffen? Damit habe er jene belehren wollen, die in irgendein kirchliches Benefizium, eine Prälatur oder andere Würde dieser Art eingesetzt sind, daß sie sich dieser Ämter nicht bedienen dürfen, um die Verwandten dem Fleisch und Blut nach zu beschenken oder zu ihren Gunsten irgendetwas zu tun, was nur im geringsten dem Gesetz Gottes widerspricht. Denn sie dürfen sich nie so weit vergessen, daß sie sich bei solcher Gelegenheit von der Rechtschaffenheit entfernen, mit der sie ihr Amt auszuüben verpflichtet sind. Da nun unser göttlicher Meister der Welt diese Lehre geben wollte, bediente er sich des Herzens der seligsten Jungfrau. Dabei gab er ihr gewiß große Beweise seiner Liebe, als ob er sagte: Meine liebste Mutter, wenn ich dir antworte: Was hast du mit mir zu schaffen?, will ich keineswegs die Bitte abschlagen; denn was könnte ein solcher Sohn dieser Mutter abschlagen, der am meisten geliebten und am meisten liebenden, die es je gab? Aber da du mich vollkommen liebst, liebe auch ich dich überaus, und diese Liebe, die ich zu dir hege, und die Liebe, von der ich weiß, daß du sie gegen mich hegst, ließ mich auf die Festigkeit deines Herzens setzen, um der Welt diese Lehre zu erteilen. Ich war ja ganz sicher, daß dieses überaus liebevolle Herz sich darüber nicht aufregen wird. Obwohl scheinbar etwas schroff, ist sie es nicht für dich, die die Sprache der Liebe versteht, die sich nicht nur durch Worte ausdrückt, sondern auch durch die Augen, durch Gebärden und Handlungen. Was die Augen betrifft, sind die Tränen, die aus ihnen quellen, Beweise der Liebe. So gab der Psalmist Zeugnisse seiner Liebe, als er vor Gott eine Überfülle von Tränen vergoß (Ps 6,7; 39,13; 42,4).

Die Braut im Hohelied (1,12) sagte: Mein Geliebter ist für mich ein Myrrhenstrauß; ich will ihn nehmen und zwischen meine Brüste legen, d. h. mitten in meine Gefühle. Wenn ein Tropfen dieser Myrrhe herabträufelt, wird er mein Herz stärken und kräftigen. So nahm auch die Gottliebende, die seligste Jungfrau, die Worte Unseres Herrn wie einen Myrrhenstrauß an und legte sie auf ihre Brust, mitten in ihre Liebe. Sie nahm den Tropfen auf, der dieser Myrrhe entquoll, der ihr Herz so kräftigte, daß sie bei seiner Antwort, die anderen als eine Zurückweisung erschien, ohne Zweifel glaubte, daß der Heiland ihr gewährt hat, worum sie ihn gebeten hatte. Deshalb sagte sie zu den Dienern: Tut alles, was er euch sagen wird.

Was die Worte betrifft: Meine Stunde ist noch nicht gekommen, meinten manche, Unser Herr habe gedacht, der Wein sei noch nicht ausgegangen. Es gibt mehrere andere Erklärungen und Meinungen der heiligen Väter über diesen Gegenstand, aber ich will mich dabei nicht aufhalten. Es ist wahr, daß es für die göttliche Vorsehung bestimmte Stunden gibt, von denen all unser Gut und unsere Bekehrung abhängen. Es ist auch wahr, daß Gott von aller Ewigkeit die Stunde und den Augenblick bestimmt hat, zwei große Wunder zu wirken: das der Menschwerdung und dieses, um der Welt das erste Zeichen zur Offenbarung seiner Herrlichkeit zu geben. Das geschah aber im allgemeinen und nicht in der Weise, daß er diese Stunde nicht früher eintreten lassen könnte, wenn er darum gebeten wurde. Um mich besser verständlich zu machen, will ich ein Beispiel anführen. Seht Rebekka und Isaak, die beide Kinder wünschten; doch unglücklicherweise war Rebekka unfruchtbar und konnte natürlicherweise keine Kinder haben. Gleichwohl hatte Gott von Ewigkeit vorhergesehen, daß Rebekka empfangen und Kinder haben werde, aber unter der Bedingung, daß sie diese durch ihre Gebete erlangte. Hätte sie nicht mit ihrem Mann Isaak darum gebetet, hätte sie keine bekommen. Da sie sah, daß sie wegen ihrer Unfruchtbarkeit keine Kinder bekommen konnte, schloß sie sich mit ihrem Mann in ein Zimmer ein und sie beteten so inständig, daß Gott sie hörte und sie erhörte. Rebekka wurde guter Hoffnung mit den Zwillingen Esau und Jakob (Gen 25,21). Wie die Kirchenväter sagten, beschleunigten auf diese Weise auch die Liebesseufzer Unserer lieben Frau die Menschwerdung Unseres Herrn. Nicht daß er deswegen vor der Zeit, die er bestimmt hatte, Mensch wurde; nein, aber er hatte von Ewigkeit vorhergesehen, daß die heilige Jungfrau ihn beschwören werde, den Augenblick seiner Ankunft in der Welt zu beschleunigen, daß er sie erhöre und früher Mensch werde, als er getan hätte, wenn sie ihn nicht gebeten hätte.

Ebenso ist es mit dem ersten Wunder, das Unser Herr heute bei der Hochzeit zu Kana in Galiläa gewirkt hat. Meine Stunde ist noch nicht gekommen, sagte er zu seiner heiligen Mutter, aber weil ich dir nichts abschlagen kann, werde ich diese Stunde beschleunigen und tun, worum du mich bittest. Er hatte also von aller Ewigkeit vorausgesehen, daß er es den Gebeten Unserer lieben Frau zuliebe früher wirken werde. Wie glücklich ist die Stunde, zu der Gott uns so viel Gnade und Gutes mitteilen wollte! Wie glücklich ist die Seele, die in Geduld warten und sich vorbereiten wird, ihr treu zu entsprechen, wenn sie eintrifft! Es war gewiß die Stunde der göttlichen Vorsehung, in der sich die Samariterin bekehrte. Von dieser Stunde hängt auchunsere Bekehrung und Änderung ab, und man muß große Sorgfalt darauf verwenden, sich gut dafür zur disponieren, damit wir, wenn Unser Herr kommt, bereit sein können, seiner Gnade recht zu entsprechen.

Der Heiland befahl den Dienern, sechs Steinkrüge zu füllen, die für die Reinigung der Juden dienten. Sie wuschen sich ja, sobald sie etwas berührt hatten, was das Gesetz verbot. Sie machten ja viele äußere Zeremonien, in denen sie sehr genau waren, aber sie kümmerten sich kaum darum, ihr Inneres zu reinigen (Mt 23,25f; Mk 7,3-6). Ich habe in Paris im Haus der Zisterzienser einen dieser Krüge gesehen; sie sind sehr groß und tragen eine hebräische Aufschrift, aber ich habe sie nicht gelesen, weil ich sie nur von ferne gesehen habe. Die Diener waren sehr sorgsam bedacht zu tun, was ihnen die heilige Jungfrau aufgetragen hatte, denn sobald die den Befehl erhielten, füllten sie die Krüge so voll, daß das Wasser bis ganz oben stand. Da sprach Unser Herr innerlich das Wort, das niemand hörte, und sogleich wurde all dieses Wasser in sehr guten Wein verwandelt. Dieses Wort glich ohne Zweifel jenem, durch das er alle Dinge aus nichts erschaffen hat, dem Menschen Leben und Sein gab, durch das er auch beim letzten Abendmahl, das er mit seinen Jüngern hielt, im heiligen Sakrament der Eucharistie den Wein in sein Blut verwandelte. Ein ganz hervorragender Wein ist das, durch den wir genährt werden, denn durch den Empfang des Leibes und Blutes des Erlösers werden uns die Verdienste seines Leidens und Todes zugewendet.

Könige und Fürsten haben gewöhnlich stets ein Pulver aus dem Horn des Einhorns bei sich, das geeignet ist, vor Gift zu schützen; und wenn sie irgendein Unwohlsein befällt, nehmen sie von diesem Pulver in Wein, um sich davor zu schützen. Der menschliche Geist ist sonderbar! Einige streiten, ob es Einhörner gibt und ob der Staub dieser Hörner diese Kraft besitzt oder nicht. Es ist nicht unsere Sache, den Gründen für diesen Streit nachzugehen; aber halten wir uns jetzt an jene, die sagen, daß es Einhörner gibt und daß ihr Pulver die Eigenschaft hat, das Gift zu entfernen. Von diesem Pulver können alle ebenso haben wie die Fürsten; diese haben den anderen gegenüber den Vorteil, daß man ihnen Becher aus diesem Horn macht und sie in ihnen das Pulver des Einhorns nehmen. Das kostbare Blut Unseres Herrn gleicht dem Einhorn; es vertreibt das Gift der Sünde, die unsere Seele vergiftet. Durch das Sakrament der Eucharistie wird uns ja die Frucht der Erlösung zugewendet, wie wir gesagt haben. Dieses Sakrament wurde versinnbildet durch die Wunder, die im Alten Bund ge- schahen. Mose hatte einen Stab, mit dem er wunderbare und erstaunliche Dinge vollbrachte; er verwandelte sich in eine Schlange und Natter, und als Mose es dann wollte, wieder in seine ursprüngliche Gestalt (Ex 4,2-4). Mit ihm ließ er Wasser aus dem Felsen entspringen (17,5f); er verwandelte das Wasser in Blut (7,19f); kurz, er wirkte Wunderzeichen, die Vorbilder derjenigen waren, die im Bund der Gnade sich ereignen sollten (vgl. 1 Kor 10,4.11).

Bevor wir schließen, sagen wir: Nachdem Unsere liebe Frau so großen Einfluß hat, müssen wir uns an sie wenden, damit sie ihrem Sohn unsere Nöte vortrage. Wir müssen sie zu unserem Fest einladen, denn wo der Sohn und die Mutter sind, geht der Wein nicht aus; sie wird ja unfehlbar sagen: Mein Sohn, diese meine Tochter hat keinen Wein. Aber welchen Wein begehrt ihr, meine Lieben? O gewiß keinen anderen als den der Tröstungen; der ist es, den wir wollen, keinen anderen. Ich will euch das durch ein einfaches Beispiel begreiflich machen. Da ist eine gute Frau, die einen kranken Sohn hat. O Gott, man muß Himmel und Erde bemühen, denn er ist das einzige Kind, er ist die Frucht meines Schoßes, auf ihn habe ich all meine Hoffnung gesetzt. Wenn die menschlichen Mittel nichts mehr vermögen, nimmt man seine Zuflucht zu Gelübden, die man den Heiligen macht. Das ist gut; es ist recht, die Heiligen anzurufen; aber meine Tochter, warum begehrst du die Gesundheit dieses Sohnes so sehr? Was wirst du tun, wenn es ihm gut geht? Ich werde ihn auf den Altar meines Herzens stellen und ihm Weihrauch streuen. Seht nun, wenn die seligste Jungfrau um Wein gebeten hätte, damit jene, die bei der Hochzeit waren, sich betrinken, dann hätte Unser Herr diese Verwandlung des Wassers in Wein ohne Zweifel nicht gewirkt.

Wenn wir wollen, daß Unsere liebe Frau ihren Sohn bittet, das Wasser der Lauheit in den Wein der Liebe zu ihm zu verwandeln, müssen wir alles tun, was er uns sagen wird; das ist hier sehr wichtig. Die Diener waren also sehr beflissen, alles auszuführen, was er ihnen auftrug, wie unsere himmlische Frau ihnen geraten hatte. Machen wir gut, was der Heiland uns sagen wird; erfüllen wir unser Herz recht mit Buße, und dieses laue Wasser wird in den Wein glühender Liebe verwandelt werden. Tut sorgsam, was ihr heute zu tun habt, morgen wird man euch etwas anderes auftragen. Wollen wir ein langes und glühendes Gebet? Beschäftigen wir uns während des Tages mit guten Gedanken, machen wir häufig Stoßgebete. Wollt ihr im Gebet gesammelt sein? Verhaltet euch außerhalb des Gebetes, als ob ihr im Gebet seid; vergeudet die Zeit nicht mit unnützen Gedanken, weder über euch noch darüber, was um euch geschieht. Gebt euch nicht mit Albernheiten ab. Ihr möchtet irgendeine Erleuchtung des Glaubens haben, um das Geheimnis der Menschwerdung zu begreifen; befaßt euch tagsüber mit frommen Gedanken über die grenzenlose Güte Gottes. Kurz, meine lieben Schwestern, übt das gut, was man euch bisher gelehrt hat, und vertraut auf die Vorsehung Gottes, denn er wird nicht versäumen, euch zu verschaffen, was ihr braucht (Ps 55,23; 1 Petr 5,7). Preist ihn in diesem Leben, und ihr werdet ihn mit allen Seligen des Himmels verherrlichen. Dahin mögen uns führen der Vater, der Sohn und der Heilige Geist. Amen.


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