Salesianische Zweimonatsschrift "Licht"
Ausgabe Januar / Februar 2004

Als sein Abbild schuf er mich
Was es bedeutet, Gottes Ebenbild zu sein

Dass der Mensch Gottes Ebenbild ist, steht bereits im Zentrum der Schöpfungsgeschichte. Für Franz von Sales bedeutet diese
Gottebenbildlichkeit nichts anderes als die intensive Beziehung zu Gott.
Salesianische Impulse dazu von P. Alois Bachinger OSFS.


Wir können urteilen, überlegen, wissen und Tugenden besitzen.
Damit sind wir gottähnlich.
Franz von Sales (vgl. DASal 3,88)

„Wer oder was möchte ich sein?“ Da gibt es viele mögliche Antworten, je nachdem, was einem wichtig ist. „Berühmt wie ...“; “schön wie ...“; „reich wie ...“.
Nun sagt die Bibel: „Du bist ein Ebenbild Gottes“. Lieber wären wir schon reich wie ein Ölmulti oder berühmt wie ein Filmstar, Gottes Ebenbild zu sein – danach besteht weniger Nachfrage.

Was habe ich davon?
Die Zusage, dass wir Gottes Ebenbild sind, macht uns eher verlegen und unsicher. Wir können damit nicht viel anfangen und fragen uns, was wir davon im Leben haben.
Im Buch Genesis heißt es:„Dann sprach Gott: Lasst uns Menschen machen als unser Abbild, uns ähnlich. Sie sollen herrschen über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels, über das Vieh, über die ganze Erde und über alle Kriechtiere auf dem Land. Gott schuf also den Menschen als sein Abbild; als Abbild Gottes schuf er ihn. Als Mann und Frau schuf er sie.“ (Gen 1,26f)
Wo können wir diese Gottebenbildlichkeit bei uns wahrnehmen? Der Mensch ist von Gott ernannt zum Herrn der Erde und der anderen Lebewesen. Er unterscheidet sich durch seine Geistseele; er ist mit Verstand und freiem Willen ausgestattet. Alle diese Deutungen sagen etwas Richtiges aus, das Entscheidende ist jedoch etwas anderes: Von allen Lebewesen ist der Mensch das einzige, das Gott hören und antworten kann. Der Mensch ist geschaffen als Partner Gottes, berufen zur Gemeinschaft mit Gott. Wir sind geschaffen nach Gottes Ebenbild.

Vier Beziehungen

Diese Wahrheit hat zur Folge, dass wir in vier Beziehungen hineingestellt sind: Beziehung zu Gott, zum Mitmenschen, zur Welt und zu uns selbst.

Beziehung zu Gott.
Der Mensch kommt von Gott und ist zutiefst auf ihn angelegt. Die Möglichkeit, mit Gott leben zu können, ist der Freiheit jedes Menschen überantwortet, und es kann jemand Gott ablehnen und ihn leugnen. Gott anhangen ist die tiefste Chance des Menschen. In der Anerkennung Gottes oder gar Liebe zu ihm kommt der Mensch zu sich selbst, wird heil und wird wahrhaft Mensch. „Menschwerden durch Gottesliebe“ ist der Weg. Das Lob und die Verherrlichung Gottes tut dem Menschen gut. Im Messbuch heißt es: „Du bedarfst nicht unseres Lobes; es ist ein Geschenk deiner Gnade, wenn wir dir danken“. Franz von Sales schreibt: „Unseretwegen will Gott, dass wir ihn lieben“. Gott loben ist die erste Gabe und Aufgabe des Menschen. Wo die Anerkennung des wahren Gottes verschwindet, setzen sich andere Götter an seine Stelle: das goldene Kalb oder Diktatoren. Dann wird der Mensch das Opfer des Menschen. Mit dem Verlust Gottes geht auch die Anerkennung der menschlichen Würde verloren.

lDie zweite Beziehung,
die sich aus der Gottebenbildlichkeit ergibt, ist die Partnerschaft mit anderen.
Gott ist dreieinig. In Gott sind mehrere; er ist kein Einzelgänger. Gott ist Gemeinschaft und will Gemeinschaft. Als Gott den Menschen nach seinem Bild schaffen wollte, hat er ihn nicht als Intellektuellen, als reinen Geist, Gelehrten oder Unsterblichen geschaffen. Er hat ihn geschaffen als Mann und Frau. Was will das besagen? Als Gott den Menschen schaffen wollte, damit er ihm gleiche, hat er ihn als mehrere geschaffen, als ein Wesen, das des anderen bedarf, um selber zu sein. Er hat ihn liebesfähig geschaffen, unfähig, sich selbst zu genügen. Wir sind so geschaffen, dass wir des anderen bedürfen, der uns hilft, uns vom Egoismus zu befreien und zu uns selbst zu kommen, Mensch zu werden. Die Liebe von Mann und Frau wird zugleich Dienst am Leben. Der Mensch hat teil am Schöpfertum Gottes.

Der Mensch soll und darf sich die übrige Kreatur dienstbar machen und sich ihrer erfreuen.
Seine Herrschaft über die Welt bedeutet nicht die Freiheit zu egoistischer und willkürlicher Ausbeutung der Natur, sondern schließt Fürsorge und Verantwortung für sie ein. Es könnte sein, dass Gott den Menschen die Erde bald entziehen müsste, um sie vor dem Verderben zu retten. Diese Verantwortung entspringt der Wahrheit, dass wir Gottes Ebenbild sind.

Geschaffen nach Gottes Ebenbild. Diese Wahrheit hat zur Folge, dass jeder Mensch sich selbst als wertvoll sehen kann.
Franz von Sales: „Mensch, du bist Gottes fähig. Wehe, wenn du dich mit weniger begnügst.“ Es gibt die begründete Liebe zu sich selbst. Es heißt ja, wir sollten den Nächsten lieben „wie dich selbst“ (Mt 19,19). Bei allem Wissen um unsere Armseligkeit, darf es die Liebe zu sich selbst geben, ohne dass dabei die Demut verletzt wird. Für Franz von Sales ist rechte Demut nicht möglich ohne Wissen um die eigene Würde und den eigenen Wert. Gott schätzt jeden einzelnen Menschen, auch den Sünder, und so darf ich mich selber auch mögen, Behinderte haben in dieser Sicht ebenso ihre Würde.
Diese positive Einstellung zu sich selbst ist auch eine Folge des Wissens um die Ebenbildlichkeit Gottes.

P. Alois Bachinger ist Oblate des heiligen Franz von Sales. Er ist Rektor und Ökonom im Salesianum Eichstätt, Bayern

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