Salesianische Zweimonatsschrift "Licht"
Ausgabe Mai / Juni 2004
Bilder des Lebens
Maria Lang
Elisabeth, verstecke dich nicht hinter Gedanken über Vergangenes,
sei es Leid oder Freude. Es muss einmal ein Zeitpunkt kommen, da du es
gut sein lässt und die Wunden heilen können, die du empfangen
hast, oder die Freude immer noch tief in deinem Herzen wohnen kann.
Lebendiges Mosaik
Nachdenklich verstummt mein guter Geist. Das Bild von der gekrümmten
Gestalt unter uns ist verschwunden und wir befinden uns wieder im leeren
Raum. Nach einiger Zeit ergreift sie schweigend meine Hand und ich fühle
erneut, wie uns dieser seltsame Sog ergreift und mit sich zieht.
Meine Gedanken kreisen immer noch über dem Gesagten, so dass mein
Blick nach Innen geht und ich bemerke nicht, was um mich geschieht, noch
wo wir hingetrieben werden.
Lange Zeit lässt mich die Frau meinen Gedanken nachhängen, doch
dann ergreift sie auffordernd meinen Arm und ich schaue erstaunt um mich.
Wir befinden uns im Zentrum einer riesigen Sphäre. Die Wände
der enormen Hohlkugel bestehen aus einem Mosaik von unzähligen statischen
und bewegten Bildern, die in sich wieder in ein Mosaik aus kleineren Momentaufnahmen
oder kurzen Filmsequenzen aufgeteilt sind.
Minifilme aus der Vergangenheit
Fasziniert betrachte ich das bunte Szenario, das sich mir eröffnet.
Das ist besser als jedes Kino!
Doch – halt, das sind keine richtigen Filme! Vor mir, unter mir,
überall um mich, werden auf der sphärischen Leinwand Erinnerungen
aus meinem Leben abgespielt, manche immer und immer wieder. Aber diese
Filme sind klarer und deutlicher als die meisten meiner Erinnerungen und
ich kann mich selbst als einer der stummen Schauspieler sehen. Ich drehe
und wende mich, schaue unter und über mir, erstaunt und auch erschrocken.
Die Grundstimmung der meisten Minifilme ist entweder gleichgültig
oder eher traurig, fast schwermütig. Nur der Äquator der immensen
Kugel besteht aus Filmen und Bildern, in denen ich vor Lebensfreude überzuströmen
scheine. Seltsam, wirklich seltsam.
Nachdenklich kratze ich mich am Kopf, während ich – dieses
Mal als unbeteiligte und sogar etwas gleichgültige Zuschauerin –
sehe, und entdecke, dass mein Ex mit einem anderen Mädchen zusammen
war und ich ihn zur Rede stelle, worauf er einfach mit mir Schluss macht
und geht ohne ein weiteres Wort.
Das Heute zählt
Naja, eigentlich ist es schon richtig, der Grundtenor der Erinnerungen,
die ich mir so tagtäglich ins Gedächtnis rufe, ist eher negativ...
Es ist gut, Erinnerungen zu haben, manchmal ist es auch gut, an ihnen
festzuhalten, für eine gewisse Zeit. Aber es muss einmal der Moment
kommen, da man sie loslässt und sich selbst wieder der Gegenwart
zuwendet.
Elisabeth, ich weiß, dass manches in der Vergangenheit nicht so
gelaufen ist, wie du es gerne möchtest, doch es ist vorbei.
Das Heute, das Jetzt, sind der Schatz, den du in deinen Händen hältst,
sie sind deine Chance. Du kannst die Vergangenheit nicht ändern,
so sehr du mit deinen Gedanken in der Vergangenheit verweilst, dadurch
verlierst du doch auch noch das Jetzt.
Nur heute, nur an diesem Tag hast du die Möglichkeit, die dir geschenkte
Zeit zu nutzen. Es mag hart sein, und sehr schwer, weil ein Schatten der
Vergangenheit auf dir und deinem Leben lastet. Aber das einzige, das du
wirklich tun kannst, ist, im Heute, in diesem Augenblick, zu versuchen,
das Beste aus dem zu machen, was dir gegeben ist. Glaube an die Hoffnung,
die du Zeit deines Lebens in deinem Herzen spüren kannst, und lebe,
lache, tanze, weine, kämpfe, tue, was immer in genau diesem Moment
deines Lebens, in dem du steckst, nötig ist und richtig erscheint!
Lebe in der Gegenwart!
Das heißt aber nicht, dass du die Vergangenheit vergessen musst,
aber trage auch die frohen Augenblicke in deinem Geist. In diesem Album
sind Bilder mit glücklichen Momenten deines bisherigen Lebens, aber
auch viele leere Seiten, die du noch füllen musst.
Lerne aus der Vergangenheit und fülle mit diesem Wissen dein Handeln
im Jetzt eines jeden Tages deines Lebens …
Maria Lang ist Studentin und absolviert
zurzeit ein Auslandsjahr in England
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