Salesianische Zweimonatsschrift "Licht"
Ausgabe Mai / Juni 2004

Dialog unter den Sternen
Bernd Rosenkranz


(Zwei im Gras sitzend und der nächtliche Sternenhimmel über ihnen)

A: Wenn ich so das Gestirn am Himmel betrachte und mich hernach frage, warum wir so wenig unser Leben damit vergleichen, ja, dann finde ich das traurig.

B: Vielleicht deswegen, weil die Sterne so weit weg sind ... das Funkeln im Schwarzen fasziniert einen ja mehr als viele Gedanken.

A: Aber dann, wenn du alles schon lange angesehen hast, wenn du diese Stille, dieses Nebeneinander und Übereinander des Gestirns irgendwie begriffen hast …

B: Was ist dann? Kann man das jemals begreifen?

A: Vielleicht auch nicht, – aber vergleichen kann man es mit etwas anderem. Und dann kann es sein, dass dir der Sinn aufgeht für die Größe, die dahinter steckt; nimm einmal die Ordnung, mit der sich alles bewegt. Wie das möglich ist, und wie wunderbar, dass jeder Stern seine Bahn hat, ohne dass ihm ein anderer dazwischen kommt.

B: Das ist wahr und es ist keinerlei Eigenbrödelei dabe, sondern es scheint so etwas wie reine Fügung zu sein.

A: Siehst du, und so wie du das sagst, bist du in Gedanken schon ein Stück bei den Menschen, – sicher ist unser Erdenleben im Gesamten enger und unsere Interessen sozusagen bunter, aber ein Vergleich ist doch naheliegend.

B: Nur eine solche Ordnung müsstest du in unseren Verhältnissen erst lange suchen, wo doch so vieles schief geht!

A: Sicher, der Vergleich würde eher zeigen, was uns fehlt, und doch sind wir genau genommen nicht eigentlich hilflos, und mit einiger Aufmerksamkeit erahnen wir oft, welcher Spur wir folgen sollen.

B: Dazu gibt’s dann auch die Gebote, die man gelernt hat im Laufe seines Lebens!

A: Das ist gut, wenn du davon sprichst, – denn da fällt mir ein anderer Vergleich mit dem Gestirn ein: Nimm einmal an, die Sterne dort oben sind die Gebote, also zum Beispiel: nicht betrügen, nicht falsch aussagen oder ein Versprechen halten, usw., und weil es eben Nacht ist, sieht man sie so gut.
Da kannst du dich dann fast nicht irren, wenn sie dir zufunkeln. Und dennoch könnte ich mich dumm stellen und fragen: Welches von ihnen ist nun das eigentlich Wichtigs-te in dem einen oder anderen Fall, denn die meisten erstrahlen gleich stark, so dass erst am Ende der Nacht, wenn am Morgen die Sonne aufgeht, dir plötzlich ein Gedanke durch den Kopf schießt.

B: Warum das?

A: Weil du gefunden hast, was du suchtest: Ist nicht die Sonne der Stern, der allen anderen Licht gibt? Und so frage ich mich, welches Gebot er wohl darstellen mag.

B: Die Liebe!

A: Ja, genau, die Liebe, die Liebe zu Gott und zum Nächs-ten.
Und ich weiß nun auch, dass die vielen anderen Gebote nicht einfach ausgedient haben, aber wie das Leuchten der Sterne bei Tagesanbruch mehr und mehr zurücktritt, so auch die vielen Gebote hinter dem Gebot der Liebe.
So sagt auch der heilige Franz von Sales: Die Liebe ist unter den Tugenden, was die Sonne unter den Sternen: sie gibt ihnen Glanz und Schönheit.

B: Da bin ich jetzt neugierig, den Morgen abzuwarten, – schon des Gleichnisses wegen!

A: Das scheint eine gute Idee zu sein …, wirklich!

Bernd Rosenkranz

 

Ihre Meinung          zurück          nächster Artikel