Salesianische Zweimonatsschrift "Licht"
Ausgabe Mai / Juni 2005

 

Die Heimsuchung
breitet sich aus

P. Herbert Winklehner

Am 5. März 2004 waren es 400 Jahre, dass sich der hl. Franz von Sales und die hl. Johanna Franziska von Chantal das erste Mal begegneten. Aus Anlass dieses Jubiläums be-rich-ten wir in diesem LICHT-Jahrgang ausführlich über die Beziehung dieser beiden Heiligen.
Überlassen wir alles dem liebenden Willen Gottes. Selbst wenn es anders kommt, als wir uns wünschen. Franz von Sales war ein Meister dieses heiligen Gleichmuts, nicht nur in persönlichen Belangen, als etwa Johanna Franziska von Chantal kurz nach der Ordensgründung der Heimsuchung Mariens im Sterben lag. Er überließ auch seine kirchlichen Ziele und Projekte, die er verfolgte, ganz dem Willen Gottes. Nicht aus Bequemlichkeit, sondern aus Überzeugung – und wirklich Gleichmut zu üben, das hat sehr viel mit Mut zu tun. Entgegen jeder eigenen Überzeugung davon überzeugt sein, dass Gott alles in die richtigen Bahnen lenken wird, auch wenn sie mir selbst gegen den Strich gehen, kann manchmal sehr schwer sein.

Gründung in Lyon
Der Erfolg der neu gegründeten Gemeinschaft der Heimsuchung sprach sich herum. Am 2. Februar 1615 kam es daher zu einer weiteren Gründung eines Heimsuchungsklosters in Lyon. Interessanterweise sollte Franz von Sales sieben Jahre später in eben diesem Kloster sterben. Noch aber war es nicht so weit. Diese Gründung brachte nämlich ganz andere Schwierigkeiten mit sich. Durch die Ausweitung in eine andere Diözese wurde es notwendig, dass die Heimsuchung die Zustimmung des dortigen Bischofs, ja die päpstliche Anerkennung erhielt, um als echte Ordensgemeinschaft der katholischen Kirche zu gelten.
Vom 25. Juni bis zum 10. Juli 1615 machte sich Franz von Sales daher auf den Weg nach Lyon, um mit dem dortigen Erzbischof Denis-Simon de Marquemont (1572–1626) die Gründung der Heimsuchung zu regeln. Leider konnte sich der Erzbischof mit den neuartigen Ideen, die Franz von Sales und Johanna Franziska von Chantal für ihr Kloster entwickelt hatten, wenig anfreunden. Für ihn waren Schwestern, die nicht in ständiger Klausur und nach den klassischen Regeln eines Ordens lebten, kein richtiges Kloster. Er forderte daher Franz von Sales auf, seine Gemeinschaft dementsprechend zu verändern, damit sie die kirchliche Anerkennung erhielt.

Änderung der Ordensregeln
Für Franz von Sales und Johanna Franziska von Chantal begann nun der mühsame Weg der Änderung ihrer Ordensgemeinschaft in ein klausuriertes Kloster nach den Regeln des heiligen Augustinus.
Der Erzbischof von Lyon ließ sich durch die verschiedenen Argumente und Erklärungen, die ihm Franz von Sales für seine Gemeinschaft vorlegte, einfach nicht überzeugen. Franz von Sales war sehr bald klar, dass er sich entscheiden müsse. Wenn er an den gemeinsamen Überzeugungen von ihm und Johanna festhielt, dann wird die Heimsuchung eine Gruppe von Frauen innerhalb seiner Diözese bleiben. Möchte er jedoch, dass sie sich über seine Diözese hinaus ausbreiten, dann muss er den Änderungswünschen des Erzbischofs Folge leisten.
Wenn er nachgibt, hat dies jedoch die entscheidende Konsequenz, dass seine Schwestern das Kloster nicht mehr verlassen dürfen, nicht einmal um Armen, Kranken und Notleidenden zu helfen.
Franz von Sales und Johanna Franziska von Chantal, die in allem den Ratschluss der göttlichen Vorsehung erkannten, entschieden sich, den Wünschen des Erzbischofs nachzukommen, um die allgemeine kirchliche Anerkennung zu erhalten. Sie änderten die Regeln ihrer Gemeinschaft dahingehend um, dass sie von nun an der klassischen Augustinerregel entsprachen, vor allem mit Klausur und feierlichen Gelübden.
In zwei Punkten ließen die beiden Ordensgründer jedoch nicht locker: In der Heimsuchung soll es auch weiterhin Platz geben für Witwen und gebrechliche Frauen. Daher soll nicht das anstrengende, lateinische Stundengebet der Mönche, sondern das kleine Offizium der allerseligsten Jungfrau gelten, damit auch schwächliche Frauen und Frauen, die nicht der lateinischen Sprache mächtig sind, daran teilnehmen können.
Die strenge Klausur wurde jedoch eingeführt. Den Schwestern blieb nun nichts anderes mehr übrig, als ihre Tore aufzumachen, damit die Armen und Notleidenden wenigstens zu ihnen ins Kloster kommen konnten. Zu ihnen hinaus auf die Straßen gehen, war ihnen ab nun verwehrt.

Anerkennung und Aufblühen
Am 23. April 1618 wurde die Ordensgemeinschaft mit den veränderten Ordensregeln von Rom offiziell anerkannt. Damit war die Heimsuchung ein formeller Orden der katholischen Kirche und konnte überall auf der Welt gegründet werden.
Franz von Sales und Johanna Franziska von Chantal haben dies als Entscheidung Gottes für ihre Gemeinschaft akzeptiert. Es war ein heroischer Akt, ihre eigenen Ideen zurückzustecken, um den Ideen der Kirche zu entsprechen. Die beiden taten es, weil sie davon überzeugt waren, dass sie damit auch dem Willen Gottes gehorchen, dem sie alles überlassen wollten.
Bis zum Tod des hl. Franz von Sales wurden noch zehn weitere Klöster außerhalb von Annecy gegründet: 1616 in Moulins, 1618 in Grenoble und Bourges, 1619 in Paris, 1620 in Montferrand, Nevers und Orléans, 1621 in Valence, 1622 in Dijon, Belley und Saint-Etienne .

P. Herbert Winklehner ist Oblate des hl. Franz von Sales, Chefredakteur der
Zeitschrift LICHT und Leiter des Franz Sales Verlages in Eichstätt, Bayern.

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