Salesianische Zweimonatsschrift "Licht"
Mai / Juni 2007

Salesianische Zweimonatsschrift "Licht" 2006

Nach innen horchen
Thomas Schmeckpeper

Wer kann mir sagen, wie ich richtig zu beten habe? Spielt es vor Gott eine Rolle, ob ich dabei sitze, stehe, knie oder einen Kopfstand mache? Wie groß ist meine Chance, dass er mich hört, wenn ich alleine auf meinem Zimmer sitze und er doch gleichzeitig unzählige anderen knienden Massen an Betenden zuhören muss? Da wird’s problematisch mit der Vorstellung des richtenden Gottes, der als alter weiser Mann oben auf einer Wolke sitzt und sich seelenruhig die Bitten und Danksagungen seiner Zöglinge anhört.

Energie um und in uns

Und bis auf das religiöse Instrument des Menschen, nämlich das Wort „Gott“ an sich, gibt es keinerlei Hinweise darauf, dass das – erlauben Sie mir bitte den Artikel „das“ zu benutzen. Gott auf einen Mann oder eine Frau zu reduzieren wäre dumm und falsch –, was wir Gott nennen, als logisches Subjekt zu verstehen wäre.
Machen wir folgendes Gedankenexperiment: Stellen wir uns Gott als Energie vor, als eine Energie, die in allen Lebewesen wieder zu finden ist. Stellen wir uns weiter vor, dass das Gebet wie wir es kennen nun eine Möglichkeit ist, mit dieser Energie in eine Interaktion zu treten.
Ist das der Fall, so erübrigt sich die Frage nach der äußeren Form des Gebetes, es sei denn, man mag es als Hilfe zur gesteigerten Konzentration sehen. Hat also jeder und jedes ein Teil dieser Energie in sich, egal ob Bankier, Junkie, Fußballer oder Papst, macht auch das Gebot der Nächstenliebe Sinn. Warum sollte ich etwas schaden wollen, was ich selbst in mir trage? 
Mein Vater hatte braune Augen, also habe ich auch braune Augen. Meine Familie – entschuldigt mich bitte! – trägt ein gewisses Gen mit sich herum, dass andere auch als Sturheit bezeichnen, also trage ich auch ein Teil davon mit mir herum. Und weil es etwas gibt, was uns alle erschaffen hat, tragen wir auch ein Teil dessen mit uns herum. Und da ich nicht davon ausgehe, dass Gott ein Freund von Klassengesellschaften ist, hat er jedem von uns ein gleichgroßes Stück von sich eingesetzt. So ist der Papst also nicht göttlicher als der Bischof, und der Bischof ist nicht göttlicher als ich, denn ich kann nicht Göttliches mit Göttlichem vergleichen.
Unter diesen Prämissen kann ich mir die Welt vielleicht als ein Glas vorstellen, dass mit Wasser, welches wiederum das Göttliche ist, gefüllt ist. Es gibt kein Quadratmillimeter in dem Glas, der nicht mit der Göttlichkeit in Berührung käme.

Die transzendentale Tankstelle

Was heißt das jedoch jetzt für das Gebet? Zunächst ist es doch eine nicht verdrängbare Motivation mal in mich hineinzuhorchen. Acht darauf zu geben, welche Antworten ich bekomme, wenn ich an mich selbst Fragen stelle. Nun habe ich schon das eine oder andere Zwiegespräch mit mir selbst geführt und nicht jede Antwort hat mich im nachhinein klug handeln lassen, was mich wiederum wissen ließ, dass die Beziehung zu Gott kein einfaches Frage-Antwort-Spiel ist. Diese Erkenntnis kann frustrierend sein, kann aber auch helfen.
„Ich will nur eintauchen in diese Stille, diese Ruhe“, schrieb Frau Grabner-Hayden in ihrem letzten Artikel. Ein schönes Bild, welches auch schon Siddharta benutzt haben soll. Für ihn sei Meditation das Abtauchen auf den Meeresgrund, weg von tosenden Wellen und der auftürmenden Gischt. Die transzendentale Tankstelle, wo man nicht mit Euros, sondern mit Ruhe und Geduld bezahlen muss. Denn die größte Tugend des Tauchers ist die Besonnenheit, also die bewusste Beziehung zu seiner Umgebung. Oben zwischen den Wellen bleibt mir dazu nur wenig Zeit, da ich stets am Strampeln und am Schlagen bin, damit ich mich über Wasser halte.

Nach seinem Abbild

Gott hat uns nach seinem Abbild erschaffen. Ist der Rückschluss also erlaubt, dass, wenn wir zwei Beine, zwei Arme und Haare auf dem Kopf haben, Gott diese auch hat, oder ist es doch etwas anderes, was den Menschen zum Menschen macht?
Sich Gott als konkrete Person vorzustellen, mag zunächst  helfen, da es sein Mysterium scheinbar greifbarer macht, aber schränkt uns diese Vorstellung nicht auch zu sehr ein? Ist Gott die Energie, die alles durchströmt, und wir sind in der Lage im Gebet diese Energie aufzusuchen und zu spüren, brauchen wir das Beten nicht mehr auf die Kirchbank beschränken. Immer und überall können wir uns auf die Suche machen nach dem, was auch von Juden, Muslimen, Buddhisten etc. gesucht wird.                                             

Thomas Schmeckpeper ist Student für Philosophie und Geschichte
und lebt in Köln, Nordrhein-Westfalen.

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