Salesianische Zweimonatsschrift "Licht"
2006
Nach innen
horchen
Thomas Schmeckpeper
Wer kann mir sagen, wie ich richtig zu beten habe?
Spielt es vor Gott eine Rolle, ob ich dabei sitze, stehe, knie oder einen
Kopfstand mache? Wie groß ist meine Chance, dass er mich hört,
wenn ich alleine auf meinem Zimmer sitze und er doch gleichzeitig unzählige
anderen knienden Massen an Betenden zuhören muss? Da wird’s
problematisch mit der Vorstellung des richtenden Gottes, der als alter
weiser Mann oben auf einer Wolke sitzt und sich seelenruhig die Bitten
und Danksagungen seiner Zöglinge anhört.
Energie um und in uns
Und bis auf das religiöse Instrument des Menschen, nämlich
das Wort „Gott“ an sich, gibt es keinerlei Hinweise darauf,
dass das – erlauben Sie mir bitte den Artikel „das“ zu
benutzen. Gott auf einen Mann oder eine Frau zu reduzieren wäre
dumm und falsch –, was wir Gott nennen, als logisches Subjekt zu
verstehen wäre.
Machen wir folgendes Gedankenexperiment: Stellen wir uns Gott als Energie
vor, als eine Energie, die in allen Lebewesen wieder zu finden ist. Stellen
wir uns weiter vor, dass das Gebet wie wir es kennen nun eine Möglichkeit
ist, mit dieser Energie in eine Interaktion zu treten.
Ist das der Fall, so erübrigt sich die Frage nach der äußeren
Form des Gebetes, es sei denn, man mag es als Hilfe zur gesteigerten
Konzentration sehen. Hat also jeder und jedes ein Teil dieser Energie
in sich, egal ob Bankier, Junkie, Fußballer oder Papst, macht auch
das Gebot der Nächstenliebe Sinn. Warum sollte ich etwas schaden
wollen, was ich selbst in mir trage?
Mein Vater hatte braune Augen, also habe ich auch braune Augen. Meine
Familie – entschuldigt mich bitte! – trägt ein gewisses
Gen mit sich herum, dass andere auch als Sturheit bezeichnen, also trage
ich auch ein Teil davon mit mir herum. Und weil es etwas gibt, was uns
alle erschaffen hat, tragen wir auch ein Teil dessen mit uns herum. Und
da ich nicht davon ausgehe, dass Gott ein Freund von Klassengesellschaften
ist, hat er jedem von uns ein gleichgroßes Stück von sich
eingesetzt. So ist der Papst also nicht göttlicher als der Bischof,
und der Bischof ist nicht göttlicher als ich, denn ich kann nicht
Göttliches mit Göttlichem vergleichen.
Unter diesen Prämissen kann ich mir die Welt vielleicht als ein
Glas vorstellen, dass mit Wasser, welches wiederum das Göttliche
ist, gefüllt ist. Es gibt kein Quadratmillimeter in dem Glas, der
nicht mit der Göttlichkeit in Berührung käme.
Die transzendentale Tankstelle
Was heißt das jedoch jetzt für das Gebet? Zunächst ist
es doch eine nicht verdrängbare Motivation mal in mich hineinzuhorchen.
Acht darauf zu geben, welche Antworten ich bekomme, wenn ich an mich
selbst Fragen stelle. Nun habe ich schon das eine oder andere Zwiegespräch
mit mir selbst geführt und nicht jede Antwort hat mich im nachhinein
klug handeln lassen, was mich wiederum wissen ließ, dass die Beziehung
zu Gott kein einfaches Frage-Antwort-Spiel ist. Diese Erkenntnis kann
frustrierend sein, kann aber auch helfen.
„Ich will nur eintauchen in diese Stille, diese Ruhe“, schrieb
Frau Grabner-Hayden in ihrem letzten Artikel. Ein schönes Bild, welches
auch schon Siddharta benutzt haben soll. Für ihn sei Meditation das Abtauchen
auf den Meeresgrund, weg von tosenden Wellen und der auftürmenden Gischt.
Die transzendentale Tankstelle, wo man nicht mit Euros, sondern mit Ruhe und
Geduld bezahlen muss. Denn die größte Tugend des Tauchers ist die
Besonnenheit, also die bewusste Beziehung zu seiner Umgebung. Oben zwischen
den Wellen bleibt mir dazu nur wenig Zeit, da ich stets am Strampeln und am
Schlagen bin, damit ich mich über Wasser halte.
Nach seinem Abbild
Gott hat uns nach seinem Abbild erschaffen. Ist der Rückschluss
also erlaubt, dass, wenn wir zwei Beine, zwei Arme und Haare auf dem
Kopf haben, Gott diese auch hat, oder ist es doch etwas anderes, was
den Menschen zum Menschen macht?
Sich Gott als konkrete Person vorzustellen, mag zunächst helfen,
da es sein Mysterium scheinbar greifbarer macht, aber schränkt uns
diese Vorstellung nicht auch zu sehr ein? Ist Gott die Energie, die alles
durchströmt, und wir sind in der Lage im Gebet diese Energie aufzusuchen
und zu spüren, brauchen wir das Beten nicht mehr auf die Kirchbank
beschränken. Immer und überall können wir uns auf die
Suche machen nach dem, was auch von Juden, Muslimen, Buddhisten etc.
gesucht wird.
Thomas Schmeckpeper ist Student für Philosophie und
Geschichte
und lebt in Köln, Nordrhein-Westfalen.
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