Salesianische Zweimonatsschrift "Licht"
September / Oktober 2010

 

Veränderungen und Anerkennung
P. Herbert Winklehner OSFS


Am Beginn des Jahres 1612 erkrankte Johanna Franziska von Chantal so schwer, dass man sich bereits auf das Sterben der Ordensgründerin vorbereitete.

Stetiges Wachsen

Franz von Sales war sich bewusst, dass der Tod seiner Mitgünderin auch das Ende seines neu gegründeten Ordens der Heimsuchung Mariens bedeuten könnte. Dennoch legte er alles in die Hände und den Willen Gottes, wie er in einem Brief an den Jesuiten Jacques-Philibert de Bonnivard (1563-1619) schrieb:
„Seit zehn oder zwölf Tagen lässt mich ihre schwere Krankheit die dritte Vaterunser-Bitte sprechen: Dein Wille geschehe. Ich unterwerfe mich dem göttlichen Willen vollkommen. Wenn es ihm gefällt, diese Mutter wegzunehmen, bringe ich sie ihm zum Opfer; wenn es ihm gefällt, sie uns zu lassen, sei sein heiliger Name gepriesen! Wenn es ihm gefällt, dass unser Bauwerk entsteht, wird er uns den Baustoff lassen; wenn nicht, wird er ihn in seiner himmlischen Wohnung verwahren“ (DASal 8,168).
Seine Erleichterung über die Genesung seines „Baustoffes“ war so groß, dass er eigens eine Votivtafel zum Dank und Lobpreis Gottes anfertigen ließ. Die neue Kongregation konnte sich also weiterentwickeln und sie tat es in atemberaubender Geschwindigkeit. Die Anzahl der Schwestern stieg so rasch an, dass die Gemeinschaft bereits im Oktober 1612 in ein neues, größeres Kloster umziehen musste. Das „Haus der Galerie“ war einfach zu klein geworden. Und 1615 sollte dann ein weiteres Kloster in Lyon gegründet werden.
Lyon befand sich jedoch außerhalb der Diözese Genf-Annecy. Eine dortige Klostergründung bedurfte daher der Genehmigung des zuständigen Lyoner Erzbischofs Denis-Simon de Marquemont (1572-1626). Als dieser die von Franz von Sales entworfenen Ordensregeln las, war er damit allerdings überhaupt nicht zufrieden. Sie waren ihm schlicht und einfach zu modern. Vor allem in der Tatsache, dass die Schwestern das Kloster verlassen dürfen, um Arme und Kranke zu pflegen, sah er eine große Gefahr für das Ordensleben. So verlangte der Erzbischof, dass unbedingt die strenge Klausur eingeführt werden müsse. Ohne diese werde er ein solches Kloster weder in seiner Diözese genehmigen, noch werde er zustimmen, dass diese Ordensgemeinschaft päpstlich anerkannt werde.

Ordensregeln werden geändert

Franz von Sales sah auch in diesen Widerständen des Erzbischofs den Willen Gottes und stimmte schließlich nach einigen Gesprächen und Briefen zu, die gewünschten Veränderungen an den Ordensregeln vorzunehmen. Die strenge Klausur wurde eingeführt und als Grundlage für die überarbeiteten Ordensregeln übernahm Franz von Sales die klassische Ordensregel des heiligen Augustinus.
An einigen Wesenselementen seines Heimsuchungsordens hielte er jedoch fest: die Heimsuchung soll auch weiterhin offen sein für gebrechliche Frauen, die bei anderen Ordensgemeinschaften aus gesundheitlichen Gründen abgelehnt wurden. Aus diesem Grund sollten die Schwestern auch nicht zum viel anstrengenderen klassischen Chorgebet verpflichtet werden, sondern nur zum so genannten „kleinen Offizium“. Außerdem soll das Kloster weiterhin Frauen aufnehmen dürfen, die sich für eine gewisse Zeit in ein Kloster zurückziehen wollen, um Ruhe zu finden und sich in ihrem Glaubensleben neu zu orientieren. Franz von Sales und Johanna Franziska von Chantal können damit durchaus als die Erfinder von „Kloster auf Zeit“ bezeichnet werden.
Franz von Sales meinte, wenn die Kirche den Heimsuchungsschwestern schon nicht die Erlaubnis erteilt, nach draußen zu gehen, um Bedürftigen zu helfen, so sollten sie gerade deshalb die Türen weit aufmachen, damit Hilfesuchende ins Kloster hineinkommen können.

Päpstliche Anerkennung

Mit diesen veränderten Ordensregeln wurde die Ordensgemeinschaft der Heimsuchung Mariens am 23. April 1618 durch Papst Paul V. (1552-1621) päpstlich anerkannt. Einer Ausbreitung über die ganze Welt stand damit nichts mehr im Wege. Und diese ließ nicht lange auf sich warten. Bis zum Tod des heiligen Franz von Sales am 28. Dezember 1622 gab es bereits dreizehn Heimsuchungsklöster. Neunzehn Jahre später, beim Tod der heiligen Johanna Franziska von Chantal am 13. Dezember 1641 waren es bereits 87 Klöster in ganz Frankreich und dem benachbarten Ausland.

P. Herbert Winklehner ist Oblate des hl. Franz von Sales, Leiter des Franz Sales Verlages und Chefredakteur der Zeitschrift LICHT

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