Salesianische Zweimonatsschrift "Das Licht"
Ausgabe 2 März/April 2000

 

P. Josef Lienhard OSFS

Wo Gott zu finden ist
Annäherung an einen Unbekannten

"Was du schwarz auf weiß besitzt, kannst du getrost nach Hause tragen." Die Antwort auf die größte Frage des Lebens "Was darf ich hoffen?" aber werden wir nie schwarz auf weiß besitzen. Gott ist der ganz Andere. Was also tun? Nach Franz von Sales lässt sich Gottes Wirklichkeit erahnen durch den Blick auf Christus, den Mensch gewordenen Sohn Gottes. Diesen Gedanken vertieft P. Josef Lienhard OSFS.

"Gott ist in sich selbst unsichtbar und kann nur in seinem Mensch gewordenen Sohn Jesus Christus gesehen werden."
Franz von Sales (vgl. DASal 7,101)
Es gibt ein neues Dogma: "Das habe ich doch im Fernsehen gesehen." Was ich "schwarz auf weiß gesehen habe", das lass ich mir nicht ausreden. Wer gebildet ist, ist im Bilde.
In der bildenden Kunst stellt der Mensch seine Empfindungen und Gedanken dar. Er setzt sie ins Bild. Im Medienmarkt, der boomt, werden viele Bilder produziert und in jedes Zimmer der Welt übertragen. Mit Bildern arbeiten wir auch in der Religion, in der Liturgie und in der religiösen Kunst. Der gegenwärtige Mensch ist einer Bilderflut ausgesetzt, die er nicht mehr verkraften kann. Und wenn ein Mensch durchblickt, dann behauptet er "sich ein Bild gemacht zu haben"

.Gottes-Bild
Wenn ich im Schulunterricht erfahren wollte, was Kinder über Gott denken, dann ließ ich sie malen. Das war nicht ungefährlich. Eines Tages weigerte sich ein 10-jähriger diese "Malaktion" mitzutragen. Am Ende der Stunde meldete er sich mit hochrotem Kopf und stellte an mich die Frage: "Seit wann müssen Religionslehrer sich nicht mehr an das Gebot halten, ‚du sollst dir kein Gottesbild machen und keine Darstellung von etwas am Himmel oben, auf der Erde unten oder im Wasser unter der Erde’ (Ex 20,4)?"
Auf diese Frage hin wurde ich echt sprachlos. Und mir wurde bewusst, dass dieser Versuch, Gott in einem Bild festzuhalten, auch zu einer Versuchung werden kann. Gibt es nicht ein böses Sprichwort: "Als Gott mehr über sich wissen wollte, hat er die Theologen erfunden"?
Gott bleibt bei allem Bemühen der ganz Andere. Wie kann der Mensch in seiner Begrenzung Gott erfassen? Bricht da nicht die Ursünde durch, wie Gott sein zu wollen?
Der große Theologe Thomas von Aquin hat am Ende seines Lebens feststellen müssen oder dürfen: "Alles, was ich über Gott gesagt habe, ist Spreu."

In Christus
Das Christentum ist eine Offenbarungsreligion. "Das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt, und wir haben seine Herrlichkeit gesehen, die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater, voll Gnade und Wahrheit". (Joh 1,14)
So bleibt wahr, was Franz von Sales schreibt: "Er (Gott) ist folglich in sich selbst unsichtbar und kann nur in der Menschengestalt unseres Herrn gesehen werden." (DASal 7,101)
Und der Evangelist Johannes überliefert uns den Satz: "Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen" (Joh 14,9), womit Jesus deutlich zum Ausdruck bringt, dass durch ihn und in ihm und mit ihm erfahrbar wird, wer und wie Gott ist.
Die Menschwerdung Gottes ist ein deutliches Indiz, dass wir mehr über Gott wissen als die Generationen, die vor diesem Ereignis gelebt haben. In Jesus ist die Güte und Menschenfreundlichkeit Gottes erschienen, sie wurde hand-greiflich, bekam durch Jesus Hand und Fuß. Gott hat sich in Jesus verraten. Er hat uns in sein Geheimnis eingeweiht und somit auch dieses Geheimnis gelüftet, um so Gott besser erfahren zu können, auch wenn wir ihn in unserer Begrenzung nicht erfassen können, wie Franz von Sales schreibt. So haben wir ein Bild bekommen, ohne je ganz im Bild zu sein. Das Mitteilen Gottes durch Jesus darf nicht zur Versuchung werden, schon alles zu wissen. Kein Mensch kann ihn ganz erfassen, so dass jede Erfahrung immer schon subjektiv, aber gültig ist. Der 10-jährige Markus, der mich zum Nachdenken brachte, machte sehr deutlich, dass es töricht, ja tödlich ist, das subjektive Gottesbild für das Endgültige und Letztgültige zu halten.
In Jesus ist Gott transparent, d. h. durchscheinend geworden. Und er hat uns versprochen: "Ich bin bei euch alle Tage bis ans Ende der Welt" (Mt 28,20).

Vielfach anwesend
So ist Gott auf viele Arten und Weisen präsent. In der Eucharistie verborgen unter Brotgestalt. Im Wort des Evangeliums ist er präsent, ja auch überall, wo er verkündigt wird. "Wer euch hört, der hört mich." (Lk 10,16)
Sogar im kaputtesten Typen ist er verborgen da. "Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan." (Mt 25,40)
Selbst das unnützeste Kraut in der Wüste, der Dornbusch, war für eine Gotteserfahrung eine optimale Voraussetzung. So ist Gott in der Welt präsent. Es gibt keinen Winkel der erlebbaren Welt, der nicht mit Gott zu tun hat. So begegnet er uns überall. Finden lässt er sich oft dort, wo wir ihn gar nicht vermuten. Wenn das Leben immer neue Überraschungen für uns bereithält, dann gilt das auch für die Prozesse der Gottsuche.
"Gott ist es wert, dass wir ihn ein Leben lang suchen," hat die heilige Theresia von Avila gesagt. Einmal werden wir ihn im gleißenden Scheinwerferlicht sehen, aber finden werden wir ihn durch die Person Jesu, der unser Interesse nach Gott fördert und fordert, damit wir schon hier das "Leben in Fülle" haben (Joh10,10). So wird das Leben spannend und interessant. Dieser Gott gibt sich uns zu erkennen, damit wir weder ohne Perspektive leben noch dumm sterben müssen.
P. Josef Lienhard ist Provinzial der Norddeutschen Provinz der Oblaten des hl. Franz von Sales und lebt in Mülheim an der Ruhr, Nordrhein-Westfalen

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