Salesianische Zweimonatsschrift "Das Licht"
Ausgabe 2 März/April 2000

 

P. Gottfried Prinz OSFS

Trotzdem: das Gute tun

Der verborgene Gott und die Liebe

Gottes Pläne sind vielfach verborgen, das bemerken wir spätestens, wenn wir mit dem Leiden konfrontiert sind. So empfiehlt Franz von Sales, das Gottvertrauen vor die Gotteserkenntnis zu stellen. Und das heißt: selbst in für uns rät-selhaften schlimmen Situationen unermüdlich Gottes Willen – das Gute – zu tun. Gedanken dazu von P. Gottfried Prinz OSFS.

"Wir kennen zwar die Pläne Gottes nicht, aber dennoch dürfen wir niemals aufhören, so gut wie möglich am Heil unseres Nächsten mitzuwirken."

Franz von Sales (vgl. DASal 6, 210)Der Mensch als Gottes Geschöpf und Frucht seiner Liebe ist in seinem Kern gut und auf das Gute schlechthin, auf Gott, angelegt. Als Gottes Ebenbild ist er in seinem Wesen wie Gott selbst Liebe und Güte. Um sich selbst zu verwirklichen, ist der Mensch von seinem Schöpfer eingeladen, sich vor allem Gottes Liebe schenken zu lassen sowie selbst zu lieben und Gutes zu tun.

Das Gute erkennen
Der Mensch kann mit seinem Gewissen erkennen, was gut ist. Paulus schreibt an die Christen in Rom: "Wenn die Heiden, die das Gesetz nicht haben, von Natur aus das tun, was im Gesetz gefordert ist, so sind sie, die das Gesetz nicht haben, sich selbst Gesetz. Sie zeigen damit, dass ihnen die Forderung des Gesetzes ins Herz geschrieben ist; ihr Gewissen legt Zeugnis davon ab." (Röm 2,15) Gott hat außerdem ausdrücklich sich und seinen Willen durch seine Boten offenbart: "Viele Male und auf vielerlei Weise hat Gott einst zu den Vätern gesprochen durch die Propheten, in der Endzeit aber hat er zu uns gesprochen durch den Sohn, den er zum Erben des Alls eingesetzt hat." (Hebr 1,1f)
In den Zehn Geboten, die Gott Israel als Lebensgesetz gegeben hat, und durch Jesu Lehre, aufgeschrieben in den Evangelien, den Apostelbriefen und der Geheimen Offenbarung, ist uns Gottes Wille und Plan für unser Leben offenbart. Diese geoffenbarte Wahrheit und Weisung hat Jesus seiner Kirche anvertraut und er hat Petrus als ihrem obersten Leiter und seinen Nachfolgern zugesagt: "Du bist Petrus. Auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen, und die Mächte der Unterwelt werden sie nicht überwältigen. Was du auf Erden binden wirst, wird auch im Himmel gebunden sein, und was du auf Erden lösen wirst, wird auch im Himmel gelöst sein." (vgl. Mt 16,19)
Durch den Heiligen Geist setzt Jesus seine Sendung in der Welt fort, wie er ausdrücklich verheißen hat: "Wenn aber jener kommt, der Geist der Wahrheit, wird er euch in die ganze Wahrheit einführen." (Joh 16, 13) Mit der Führung des Heiligen Geistes darf jeder Mensch ganz persönlich in seinem Leben rechnen.
Gott hat also wahrlich gut für uns gesorgt, dass wir durch ihn selbst und seinen Geist geführt werden das Gute, das er uns zutraut, zu erkennen und uns dafür zu entscheiden.

Unbekannte göttliche Pläne
Obwohl Gott uns seine Weisungen für das Erkennen der Wahrheit und seines Willens für unseren Lebensweg und unser Lebensziel gegeben hat und unser Suchen nach ihm durch den Heiligen Geist begleitet, kennen wir nicht im Detail seine Pläne mit dem einzelnen Menschen. Seine Wege sind und bleiben uns oft geheimnisvoll und verborgen.
Wer kann verstehen, warum der fromme Ijob so hart geschlagen und geprüft wurde; warum Jesus selbst im frühen Mannesalter mit 33 Jahren wie ein Verbrecher sterben musste (wollte)?
Täglich zeigen uns die Medien katastrophale Ereignisse, durch die so viele Menschen elend zugrunde gehen und unter denen ihre Angehörigen schwer leiden und oft zu verzweifeln drohen: Naturkatastrophen, Verkehrsunfälle, Krebserkrankungen, Herzinfarkte entreißen plötzlich die Mutter, den Vater, und lassen kleine Kinder und andere Angehörige in größter Not zurück – Fragen und Klagen ohne Antworten.

Trotzdem
"Niemals aufhören, am Heil des Nächsten in bestmöglicher Weise mitzuwirken", das empfiehlt Franz von Sales seiner Nichte, Frau de la Valbonne, in einem Brief am 3. Februar 1614.
In diesem Brief schildert der Heilige ein hartes Unrecht, das ihm selbst widerfahren ist. Franz von Sales hatte sich für eine junge Dame eingesetzt, die ins Prostituiertenleben abgesunken war. Er hatte Johanna von Chantal gebeten, die "arme, unglückliche Belot" in der "Heimsuchung" für Einkehrtage aufzunehmen, um ihr eine Chance zu geben. Sie fiel jedoch nach Abschluss derselben in ihren liederlichen Lebenswandel zurück und ließ sich von hasserfüllten Gegnern für eine unerhörte Verleumdung missbrauchen. In ihr wird dem Bischof ein Liebesbrief unterschoben, den er an eine übel beleumundete Frau geschrieben haben soll. Dieser Brief wurde in der Stadt Annecy verbreitet. Franz unternahm nichts gegen diese Verleumdung, weil er der Ansicht war: "Mit der Wahrheit ist es wie mit dem Bart. Je mehr man ihn beschneidet, umso üppiger wächst er."
Seiner Nichte schreibt Franz: "Wenn du mit diesem schwachen Geschöpf sprechen kannst, bemühe dich sanft und liebevoll. Zeige ihr, wie glücklich sie wäre in der Gnade Gottes zu leben. Zeige ihr, dass du von Liebe dazu bewegt bist und du keinen Abscheu vor ihrem unseligen Leben hast. Ich glaube aber schon, dass Du Mühe haben wirst, diesen Dienst erfüllen zu können. – Welche Barmherzigkeit erweist doch Gott den Seelen, die er in der Ehrfurcht vor ihm und in seiner göttlichen Liebe bewahrt." (DASal 6, 210) Anstatt über das ihm widerfahrene Unrecht zu lamentieren, fragt Franz von Sales, was er in dieser Situation Gutes wirken kann.
Vom Urheber der Fälschung berichtet E. J. Lajeunie in seiner Franz von Sales-Biographie, dass er auf dem Sterbebett öffentlich seinen Betrug gestand und so die Ehre des Heiligen wieder herstellte. Ob die Bemühungen der Frau de La Valbonne Erfolg hatten, ist nicht überliefert. Bewundernswert und wegweisend bleibt aber die Bitte des Bischofs an seine Nichte: "Niemals aufhören, am Heil des Nächsten in bestmöglicher Weise mitzuwirken."
P. Gottfried Prinz ist Oblate des hl. Franz von Sales. Er ist Sekretär der Arbeitsge-meinschaft für Salesianische Studien und lebt in Eichstätt, Bayern

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