Salesianische
Zweimonatsschrift "Das Licht"
Ausgabe 2 März/April 2000
Stefan
Menz OSFS
Nie
werde ich mehr von IHM lassen
Padua
im Jahr 1591: Schon fast drei Jahre war Franz von Sales jetzt hier.
Sein Vater Herr von Boisy wünschte es so, weil seit einigen Jahren
diese Universität den besten Ruf aller Hochschulen Europas genoss.
Franz konnte hier auch das bürgerliche und das kanonische Recht
studieren, wie es sich sein Vater vorgestellt hat. Schließlich
sollte aus dem Sohn auch etwas werden. Ratsherr des Herzogs oder Senator
von Savoyen viel Auswahl wird er seinem Ältesten wohl kaum
lassen um dem Namen seiner Familie Ruhm und Ehre zu bringen.
Mit einer Sache hat der alte Herr von Boisy allerdings nicht gerechnet:
Dass Kinder irgendwann auf eigenen Füßen stehen und den Weg
gehen, den sie selbst für den richtigen halten.
Studium
Franz sitzt, wie jeden Abend, am Schreibtisch und liest in seinen Kollegheften,
den Mitschriften aus den Vorlesungen. Heute kann er aber nur mit Mühe
den Gedanken seiner berühmten Professoren folgen.
Immer wieder kommen ihm die Worte des alten Jesuiten Possevino, seines
Geistlichen Begleiters, in den Sinn: "Ihr Geist ist nicht geschaffen
für die Belastung des Advokatenstandes; das Leben unseres Jahrhunderts
ist allzu glatt und schlüpfrig; allzu leicht kann man darin ins
Verderben stürzen. Fahren Sie fort, an göttliche Dinge zu
denken und Theologie zu studieren."
"Das ist leichter gesagt als getan", denkt sich Franz von
Sales, "schließlich bin ich ja hier in Padua, um die Rechte
zu studieren, wie es halt mein alter Herr für mich vorgesehen hat."
Dennoch liest er in seiner Freizeit die großen Meister der Theologie:
Augustinus, Hieronymus, Bernhard, Chrysostomus und Cyprian gehören
dazu. Die Summa des heiligen Thomas von Aquin liegt immer an seiner
Seite "um die anderen Bücher zu verstehen".
Unruhe
Zur Zeit lässt ihm aber ein aktuelles Thema keine Ruhe. Überall
wird davon geredet, jeder Professor spricht davon und jeder anders:
die Lehre von der Vorherbestimmung. Für Franz geht es hier nicht
nur um die Notwendigkeit der guten Werke und um das Verdienst der menschlichen
Handlungen; ihm geht es um den Menschen selbst, um das Leben des Menschen.
Immer wieder hat er sich mit Augustinus und Thomas auseinandergesetzt
und ist in ein inneres Dilemma hineingeschlittert.
Ohne es zu wissen stimmt Franz von Sales mit dem heiligen Thomas in
der Sache überein. Trotzdem überkommt ihn ein ungutes Gefühl,
dass er die ganze Frage mit eigenen Worten ausdrückt. Er kommt
sich unwissend vor und betet viel in dieser Abendstunde. "Wenn
der Mensch tut, was in seinen Kräften steht, fügt Gott sein
Gnadenwunder dazu. Gott wird dich nicht aufgeben, wenn du dich nicht
selbst aufgibst," schließt er seine Aufzeichnungen ab.
Optimismus
Franz hat immer noch keine Ruhe. Noch einmal schlägt er sein Buch
auf und fügt hinzu: "Zu Füßen der Seligen Augustinus
und Thomas hingestreckt, bin ich bereit, in allem unwissend zu bleiben,
um den zu erkennen, der die Wissenschaft des Vaters ist, der gekreuzigte
Christus. Das Geheimnis ist so tief und strahlend, dass es meine Nachteulenaugen
blendet." Franz ist überwältigt von der Liebe und Unbegreiflichkeit
Gottes.
Müde geworden, bereitet er sich vor ins Bett zu gehen. Noch lange
denkt er darüber nach, was er eben zu Papier gebracht hat. Ohne
es zu wissen, hat er heute abend das Fundament für einen Pfeiler
seiner Lehre gelegt: die Christozentrik. Christus steht für ihn
ab jetzt im Zentrum seines Lebens, seines Tuns und Wirkens. Von Christus,
der die Liebe ist, wird er nicht mehr loslassen.
Stefan Menz ist Oblate des hl. Franz von Sales und studiert
Theologie an der Katholischen Universität Eichstätt, Bayern
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