Salesianische
Zweimonatsschrift "Das Licht"
Ausgabe 5 - September/Oktober 2000
Raymund
Fobes
"Könnte ich so wie
Franz von Sales sein"
Gedanken zur Seligsprechung
von Papst Johannes XXIII.
Als
der Patriarch von Venedig Angelo Roncalli am 28. Oktober 1958 zum Papst
gewählt wurde, kannte ihn fast niemand. Als er jedoch am 3. Juni
1963 als Papst Johannes XXIII. starb, da weinte die Welt. Johannes XXIII.,
der für viele nur als Übergangspapst galt, sollte neue Akzente
in der Kirche setzen: durch seinen unkonventionellen Lebensstil wie
auch durch die Einberufung eines Konzils, das sich einer geistlichen
Erneuerung angesichts der Fragen des 20. Jahrhunderts widmen sollte.
Am 3. September 2000 wird Johannes XXIII. selig gesprochen. Damit wird
der Papst künftig ganz offiziell als das gelten, was er für
viele schon längst ist: als ein bemerkenswertes Vorbild im christlichen
Glauben. Doch auch Johannes hatte seine Vorbilder einer, den
er besonders schätzte, war Franz von Sales. Als junger Priesteramtskandidat
hat er sogar einmal geschrieben: "Wenn ich so sein könnte
wie Franz von Sales, dann würde es mir nichts ausmachen, wenn sie
mich eines Tages zum Papst wählen würden." Damit hat
Roncalli Ernst gemacht. Sein Pontifikat war ganz und gar salesianisch
geprägt.
Als im Jahr 1961 das Generalkapitel der Oblaten des hl. Franz von Sales
in Rom tagte, da kamen die Kapitulare auch mit Johannes XXIII. zusammen.
Der Papst fragte nach dem Selbstverständnis der Oblaten. Unterschiedliche
Aufgabenbereiche wurden genannt aber Johannes schien das nicht
besonders zu interessieren. Bis einer sagte: "Wir versuchen dem
heiligen Franz von Sales in unserem Leben und unserem Handeln nachzufolgen."
Da huschte ein Lächeln über das Gesicht des Papstes und er
erwiderte: "Das ist gut, das ist sehr gut."
Diese Episode macht deutlich, wie nah der Papst dem heiligen Franz von
Sales stand. Am 29. Januar 1903 damals das Fest des Heiligen
schrieb er in sein "Geistliches Tagebuch": "Mein
Leben, so sagt mir der Herr, soll ein vollkommenes Abbild des Lebens
des heiligen Franz von Sales sein, wenn es einiges Gute hervorbringen
soll. Nichts Außergewöhnliches soll in mir, in meinem Betragen
sein, abgesehen von der Art und Weise, die gewöhnlichen Dinge zu
tun.
Große brennende Liebe zu Jesus Christus und seiner
Kirche, unwandelbare Heiterkeit des Gemüts, unsägliche Sanftmut
gegenüber dem Nächsten, das ist alles."
Sanftmut
dem Nächsten gegenüber
Tatsächlich entdeckt man in der Person des Roncalli-Papstes unverkennbar
salesianische Züge. Zum einen waren sie beide Franz von
Sales wie Angelo Roncalli beispielhaft in der Praxis der Nächstenliebe.
"Ich bin Josef, euer Bruder" hat der Papst bei einer seiner
ersten Audienzen gesagt, und mit dieser Mentalität ging er auf
alle zu einerlei, welcher Weltanschauung sie zugehörten.
So sprach er mit Jackie Kennedy, der Königin von England und
mit dem Schwiegersohn des russischen Staatschefs Nikita Chruschtschow.
Im Zeitalter des Kalten Krieges verhandelte Papst Johannes mit beiden
Blöcken und hat dabei mit dazu beigetragen, dass es 1962
nicht zum Dritten Weltkrieg gekommen ist. Als damals die Sowjets in
Kuba Raketen stationiert hatten, hat Präsident Kennedy nicht nur
der Sow-jetunion den Krieg angedroht, sondern auch Papst Johannes um
Vermittlung gebeten. Der verfasste sogleich eine Friedensbotschaft,
um sie im italienischen Fernsehen zu verlesen und schickte sie Chruschtschow
zu. Der sowjetische Staatschef zeigte sich beeindruckt und Stunden
später war die Kubakrise bewältigt.
Trotz seiner Offenheit gegenüber den kommunistischen Denkern lehnte
Papst Johannes jedoch das Weltbild des atheistischen Kommunismus rundweg
ab. Auch dahinter steckt eine salesianische Grundhaltung: Franz von
Sales hielt sich immer an den Grundsatz: "Deutlich in der Sache,
aber liebevoll im Umgang mit anderen Worten: die eigene Meinung
vertreten, aber mit dem, der anders denkt, freundschaftlich das Gespräch
suchen."
Tiefe
Liebe zu Gott
Papst Johannes schöpfte diese Kraft zur Liebe wie Franz von Sales
aus seiner tiefen Gottesbeziehung. Den Verlauf des Konzils legte der
Papst in die Hände Gottes. Immer wieder betete er um ein gutes
Gelingen und um den göttlichen Beistand für sich und die Konzilsväter.
Eine besondere Liebe hatte der Papst zur Gottesmutter auch das
erinnert an Franz von Sales, der als junger Student im Gespräch
mit der Gottesmutter erkannte, dass er nicht von Gott verdammt war.
Johannes XXIII. wallfahrtete gern nach Loreto, das letzte Mal als Papst
vor der Eröffnung des Zweiten Vatikanums, um die Synode der Fürsprache
der Gottesmutter anzuvertrauen.
Eine innige Beziehung hatte Johannes XXIII. auch zum Bußsakrament.
Wie er in seinem "Geistlichen Tagebuch" offenbarte, ging er
wöchentlich zur Beichte und lebte so wie auch Franz von
Sales aus der Umarmung des vergebenden Vaters.
Ein
blühender Garten
Aus seiner Spiritualität heraus drängte es den Papst zur Erneuerung
der Kirche. Wie ein Garten voll blühender und bunter Blumen sollte
sie erscheinen, sagte der Papst gern.
Da fühlt man sich unwillkürlich an einen Satz von Franz von
Sales erinnert. Der Heilige schreibt im Theotimus: "Jeder hat seine
eigene Gnade, der eine so, der andere so
Weil die Kirche einem
Garten vergleichbar ist, geschmückt mit der Lieblichkeit unzähliger
Blumen, die sich alle in Größe, Farbe, Duft und Schönheit
voneinander unterscheiden; doch hat jede ihre Kostbarkeit, ihre Anmut,
ihre Farbenpracht." (DASal 3, 117)
ALLE tragen zur Schönheit der Kirche bei das ist die Botschaft
dieses salesianischen Textes. Und das war auch typisch für Johannes
XXIII. Denn nach seiner Meinung war jeder zur Heiligkeit in dieser Kirche
berufen, ob er nun den Bischofsstab trägt oder einen Kehrbesen.
So machte der Papst deutlich, dass alle für die Kirche wichtig
waren, doch gleichzeitig riet er ganz salesianisch dazu, sich selbst
nicht zu wichtig zu nehmen.
Einem Priester gab er einmal die Empfehlung auf den Weg: "Bleiben
Sie bescheiden." Der verstand das sehr gut, denn auch er verehrte
Franz von Sales. Es war Albino Luciani, der spätere Papst Johannes
Paul I.
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