Salesianische Zweimonatsschrift "Das Licht"
Ausgabe 4 Juli/August 2000

 

Katharina Grabner-Hayden

Wie Sterne am Himmel


Wir hatten einen lieben Freund bei uns zu Gast. Am Lagerfeuer sitzend, kamen wir auf Gott und die Welt zu sprechen. Er, ein überzeugter Atheist und ironisch-beißender Kritiker an Kirche und ihren Institutionen, stellte die Behauptung auf, dass es vollkommen irrelevant sei, an Gott zu glauben oder nicht, denn es würde sich am Lauf der Welt ohnedies nichts ändern. Jegliche Norm und deren Anerkennung begründeten sich allein aus der Notwendigkeit heraus, ein harmonisches Funktionieren der Gesellschaft zu garantieren. So akzeptiere er, weil aus einer christlich-abendländischen Tradition erzogen, eben auch christliche Werte.
Er ging sogar noch einen Schritt weiter, indem er behauptete, dass all jene, die aus dem Glauben heraus handeln, Kleingeister und Irrläufer seien und dass jeder Dienst an Gott und an den Menschen das Motiv Selbstmitleid oder Überheblichkeit in sich trügen.

Die Leser dieser Zeitschrift sind überzeugte Katholiken, gläubige Menschen. Ich vermute beim Schreiben dieser Zeilen, dass viele diese Aussagen zwar verstehen jedoch nicht teilen können, da sie eben die Gnade des Glaubens besitzen oder Suchende sind. Doch wir leben nicht in einer Enklave, wir Christen stehen mitten im Leben und um uns herum leben und denken die Menschen immer individueller und auf sich bezogen. Wir müssen uns mit diesen Haltungen auseinandersetzen und uns diesem Zeitgeist stellen.

Dabei wird die Suche nach einem erfüllten Leben vollkommen von der Suche nach Gott (und damit dem Nächsten) getrennt.

Die ausschließlich individuelle Suche nach dem eigenen Ich führt zweifelsfrei zu gähnender Leere und damit zur Entfremdung vom Nächsten, vom Leben und schließlich von sich selbst. Da haben es die Sekten und heilbringenden Gurus nur allzu leicht dieses innere Vakuum mit Versprechungen zu füllen. Die Unfähigkeit der Verinnerlichung und der Selbstreflexion führen in einen suizidalen Abgrund, den wir Christen so nicht hinnehmen können. Gott dienen heißt ihn suchen. Dabei denke gerade ich als Kritikerin manch engstirniger Kirchenstrukturen und Denkweisen an die guten Dinge, die die Kirche in ihrer zweitausendjährigen Tradition hervorgebracht hat. Ich denke da ganz bewusst an Heilige, an Menschen die ständig nach der Suche nach Gott waren und dadurch dem Nächsten Heil gebracht haben.

Franz von Sales beschreibt sie als die Fixsterne, die weniger wegen ihrer Größe als durch ihre Beständigkeit Zeugen der Liebe Gottes waren (vgl. DASal 10,119). Und noch immer sind. Es gibt in unseren Reihen so viele neue Heilige, Menschen die sich in und trotz der Kirche für den Nächsten einsetzen, bemühen, mitfühlen und mitlieben. Menschen, die Wege gefunden haben Gott zu dienen, indem sie Suchende bleiben. Sie sind keine Kometen, die hell erleuchten, um schnell wieder zu verglühen, sie sind beständig im Dunkel des Alls. Diesen vielen Menschen, die sich in Gemeinden, Pfarrgemeinden, in Verbänden organisiert haben, um dem Nächsten zu dienen, die Visionen haben, die den Mut zur politisch-öffentlichen Auseinandersetzung nicht scheuen, diesen Menschen gebührt höchste Anerkennung.

Dabei ist Glaube nicht ein Geschenk, das Auserwählten einfach vom Himmel fällt, sondern ein zum Teil mühsamer Lern- und Erkennungsprozess. Das Bedürfnis der Suche nach Gott ist dieses Geschenk, das jedem Menschen gegeben ist. Dorothee Sölle, evangelische Theologin und Schriftstellerin, beschreibt dieses Bedürfnis und die Fähigkeit in jedem Menschen als sein urmenschliches mystisches Element. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir alle dieses Element in uns tragen, es jedoch eine Frage der Zeit, der Lebensphasen oder Umstände ist, wann wir zu diesen Fixsternen werden.
Schließen will ich mit einem Zitat von Dorothee Sölle aus "Erinnert Euch an den Regenbogen": "Es ist das mystische Element, das mich nicht loslässt. Es ist, um es vorläufig und einfach zu sagen, die Gottesliebe, die ich leben, verstehen und verbreiten will. Dass Menschen Gott lieben, beschützen, neu machen und erretten, klingt den meisten größenwahnsinnig oder gar verrückt. Es ist gerade die Verrücktheit der Liebe, von der die Mystiker leben."
Katharina Grabner-Hayden ist Betriebswirtin und lebt mit ihrem Mann und drei Kindern in Höbenbach, Niederösterreich

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