Krieg und Gewalt
Hat sich Franz von Sales zu Krieg und Gewalt geäußert, z.B. zu den damals stattfindenden Religionskriegen, die schließlich zum 30-jährigen Krieg führten?
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Der heilige Franz von Sales gilt heute in der Kirchengeschichte als „Heiliger der Sanftmut“. Diese Bezeichnung allein beantwortet eigentlich schon die Frage ganz klar: Franz von Sales war gegen jede Art von Krieg und Gewalt. Vor allem lehnte er Krieg und Gewalt als Mittel ab, Andersgläubige zum katholischen Glauben zu bekehren.
1. Antrittsrede des Domprobstes
Jene berühmte Rede, die er als neu ernannter Domprobst der Diözese Genf-Annecy, also als Nummer 2 nach dem Bischof, im Dezember 1593 hielt, gilt als sein Manifest, was die Bekehrung von Nicht-Katholiken betrifft. Man kann es auch als sein Manifest gegen Krieg und Gewalt und jede Art von Religionskriegen ansehen. Seine „Glaubensgegner“ waren damals die Calviner. Und die Hochburg der Calviner war die Stadt Genf. Darüber sagte nun Franz von Sales:
„Durch Liebe müssen die Mauern Genfs erschüttert werden, durch Liebe muss der Einbruch erreicht, durch Liebe muss Genf zurück gewonnen werden ... Nicht Eisen schlage ich vor, nicht Schwefeldampf, der nach dem Feuerofen der Hölle schmeckt und riecht. Ich fördere nicht jene Heerlager, deren Soldaten weder Glauben noch Gottesfurcht haben. Die Heerlager Gottes sollen jene sein, in denen Posaunen gleich die lieblichen Stimmen ertönen: Heilig, heilig, heilig ist der Herr der Heerscharen (Jes 6,3). Darauf richtet eure Aufmerksamkeit, teuerste Mitstreiter, und darauf, welche Treue ihr Gott, der Kirche, dem Vaterland, den Altären und den Familien schuldet. Zeigt diese Treue eifrig, erweist sie, wenn sich dazu Gelegenheit bietet. Ich meine, ihr seht schon von ferne, wo mein ganzer Plan hinaus will, um Genf zurück zu gewinnen. Durch Hunger und Durst müssen die Feinde bekämpft werden, doch nicht durch den der anderen, sondern durch unseren eigenen. Durch Gebet müssen sie vertrieben werden, zumal sie eine Art von Dämonen sind, die nur durch Gebet und Fasten ausgetrieben werden können (Mt 17,20; Mk 9,28) ... Durch den Schall der Gebete müssen die Mauern zum Einsturz gebracht werden. Der Angriff muss durch gegenseitige Liebe gemacht werden, hier, durch sie müssen wir unsere Angriffsspitze vortragen. Die ewige Stadt, von der so Ruhmvolles gesagt wurde (Ps 86,3), die durch eine so erhabene und günstige Lage geschützt wird, dass sie nicht einmal für das Auge erreichbar ist, diese himmlische Stadt, sage ich, kann durch Gebete und gute Werke berannt werden, dass sie jenen, die sie mit solchen Geschoßen angreifen, zur Beute überlassen wird, wie der Oberbefehlshaber dieser Burg, Christus, der Herr (Mt 11,12) sagte: Das Himmelreich leidet Gewalt; die Gewalt anwenden, werden es erobern. Wenn dem so ist, was außer Zweifel steht, um wie viel mehr wird es möglich sein, eine Stadt geringer Ausdehnung, gewöhnlich und verachtet, durch die Kriegswerkzeuge der Gebete und guten Werke zu erobern. Gehen wir tapfer vor, meine teuersten Brüder. Der Liebe muss alles weichen. Stark wie der Tod ist die Liebe (Hld 8,6); dem Liebenden ist nichts zu schwierig.“ (DASal 10,387f)
2. Elend des Krieges
Liebe, Buße, Gebet und gute Werke sind für Franz von Sales jene Mittel, die zur Bekehrung Andersgläubiger angewendet werden müssen, nicht Waffengewalt. Daran hielt er sich sein ganzes Leben lang. In seiner Kindheit erlebte er die kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen den Calvinern und dem Herzogtum Savoyen. Ein Schloss seiner Familie in Brens wurde niedergebrannt. Er sah das Elend, das durch den Krieg verursacht wurde, was ihm klar vor Augen führte, dass Krieg und Gewalt keine hilfreichen Methoden sind. Sie verursachen mehr Unglück als sie Gewinn bringen.
3. Die andere Methode
Als er Ende 1594 begann, die calvinische Bevölkerung des Chablais für den katholischen Glauben zurückzugewinnen, wusste er, dass dies schon seit fast 70 Jahren immer wieder versucht wurde, immer wieder mit der militärischen Unterstützung des savoyardischen Herzogs und immer wieder scheiterte. Für Franz von Sales war klar, dass er eine andere Methode bevorzugen wird: nicht Waffen und Gewalt, sondern Gebet, Überzeugung, Achtung und Liebe. Deshalb weigerte er sich, das Angebot seines Burgherrn, bei dem er die ersten Monate wohnte, eine bewaffnete Eskorte als Begleitschutz anzunehmen, weil er seine Mission nicht „im Schutz von Piken und Hellebarden“ durchführen wollte. Und seine Methode hatte Erfolg. Innerhalb von vier Jahren kehrten fast alle Einwohner des Chablais zur katholischen Kirche zurück – ohne Blutvergießen und ohne den militärischen Druck von oben.
4. Eskalade von Genf
Bis heute hält sich vor allem in protestantischen Kreisen das Gerücht, der hl. Franz von Sales hätte den militärischen Angriff des Herzogs von Savoyen auf Genf am 21. Dezember 1602 – die sogenannte Eskalade von Genf – nicht nur gut geheißen sondern auch gewünscht, damit er als gerade geweihter Fürstbischof von Genf an Weihnachten dort die Heilige Messe feiern könnte. Dieses Gerücht hat sich jedoch als historisch falsch erwiesen. Franz von Sales wusste von den Plänen seines Herzogs nichts und er war nach der misslungenen Aktion, die 16 Tote, zwei Schwer- und 25 Leichtverletzte forderte, sehr betroffen. Genf wurde nach diesem missglückten Angriff zur freien Stadt erklärt und war damit für die Diözese endgültig verloren. Für Franz von Sales bestätigte sich erneut, dass Krieg keine Methode ist, Probleme jeglicher Art zu lösen.
5. Gegen Prozesse
Wie sehr Franz von Sales Krieg und Gewalt ablehnte zeigt auch seine Haltung gegenüber den alltäglichen Rechtsstreitigkeiten. Als gelernter Jurist und anerkannter Anwalt, der immer wieder darum gebeten wurde, in Streitfällen als Richter zu fungieren, wusste er, wovon er sprach, wenn er sagte: „Der Ausgang eines Prozesses muss ganz außerordentlich glücklich sein, wenn er die Kosten und Bitterkeiten, die Hetzjagd, die Zerfahrenheit des Herzens und den Gestank der Vorwürfe ausgleichen soll, wie die vielen Unannehmlichkeiten, die Prozesse gewöhnlich mit sich bringen.“ (DASal 6,376)
Und in einem Brief an Johanna Franziska von Chantal können wir lesen, dass er selbst bemüht war, jeden Streit außergerichtlich zu lösen: „Ich preise Gott dafür, dass Sie Ihre Prozesse ausgleichen wollen. Seit ich von der Visitation zurück bin, war ich immer wieder so sehr bedrängt, Verhandlungen durchzuführen, dass meine Wohnung voll war von streitenden Parteien, die sich, Gott sei Dank, zum Großteil wieder in Frieden und Ruhe zurückzogen.“ (DASal 5,138)
Sein Rat in der „Philothea“ ist daher eindeutig: „Wenn sie nicht wirklich im Gewissen verpflichtet ist, einen Prozess oder andere aufregende Auseinandersetzungen zu führen, so rate ich ihr, davon die Finger zu lassen und ihre Geschäfte so ruhig und friedlich als möglich zu führen, auch wenn sie dann keinen so großen Gewinn abwerfen sollten. Der Gewinn solcher Streitigkeiten muss schon sehr hoch sein, um mit dem Gut des heiligen Friedens verglichen werden zu können.“ (DASal 1,207)
6. Das Gut des heiligen Friedens
Das „Gut des heiligen Friedens“ blieb für Franz von Sales stets wertvoller als jeder Gewinn, denn Krieg, Gewalt und Streitigkeiten einbringen können. Dass er in seiner Zeit mit dieser Meinung eher alleine dastand, zeigt nicht nur die Prozesswut, die es zu seiner Zeit gab, sondern auch die vielen kriegerischen Auseinandersetzungen, die kurz vor dem Tod des heiligen Franz von Sales im Jahre 1618 zur Katastrophe des 30-jährigen Krieges führten. Seine Friedensbemühungen bei Herzögen und Königen wurden freundlich angehört, blieben jedoch weitestgehend wirkungslos.
Herbert Winklehner OSFS